Die ungerade Zahl

Emma Breuninger

von Emma Breuninger

Story

“Ach, ich bin so alleine und das macht mir zu schaffen. Du hast es gut, Du bist es ja schon gewohnt.“ Wie oft muss ich mir das anhören! Ja, ich lebe seit vielen, vielen Jahren alleine. Ja, ich bin es gewohnt! Aber das heißt nicht automatisch, dass ich es auch gut finde. Ich mache das Beste daraus, dennoch sehnt man sich manchmal nach einer Partnerschaft. Anscheinend meinen alle, die erst seit kurzem alleine sind, sich bei mir ausjammern zu müssen.

Mit zunehmendem Alter wird es ein bisschen leichter. Ich werde nicht mehr so häufig seltsam angeschaut. Wie war das noch vor 20 Jahren? Egal, wo ich hinkam, immer schaute man mir nach, nur, weil ich alleine war. Ich fand das doof. Wenn ich im Theater in der Pause zielstrebig zum Bufett spazierte, diese bösen Blicke der Frauen, die neugierigen Blicke der Männer.

Liebe Frauen: Es ist schön, dass ihr so überzeugt von Euren Männern seid! Aber glaubt nur nicht, dass alleinstehende Frauen es ausgerechnet auf Eure Männer abgesehen haben. Seid glücklich mit ihnen! Keine Angst, wir interessieren uns nicht für Eure Männer. Ihr könnt beruhigt sein!

Umso schöner, dass ich unkompliziert in der deutsch-mexikanischen Gruppe in und um Ulm herum aufgenommen wurde. Bei allen Feiern war ich dabei. Hier war ich kein Außenseiter. Unsere Kinder waren in ähnlichem Alter. Inzwischen sind die Kinder erwachsen, wir alle in Rente und viel unterwegs. Das Leben ändert sich.

An jenem Samstag rief mich meine Freundin P. an: “Emmi, bist Du auch am nächsten Samstag zum Brunch bei Familie B. eingeladen? Die Tochter organisiert einen Brunch auf der Terrasse hinterm Haus. Soll eine Überraschung zum Geburtstag der Mutter sein”. Nein, ich war nicht eingeladen.

“Das ist eine Unverschämtheit, ” regte sich meine Freundin auf. „Nur, weil Du alleine bist, lädt man Dich nicht ein. Ich werde sofort anrufen und der Tochter meine Meinung sagen“. Das wollte ich nicht. Auch der Mann von P. regte sich höllisch auf, dass man mich nicht eingeladen hatte.

“Ich bin das gewöhnt, regt Euch nicht auf. Das ist eben so, wenn man alleine ist, vor allem als Frau.“ Doch P. und ihr Mann wollten sich nicht beruhigen. “Wir werden nicht hingehen,“ beschlossen die beiden.

Wenig später erhielt ich eine Mail von besagter Tochter. Offensichtlich hatte P. sie angerufen, denn sie lud mich plötzlich ein. Ich bedankte mich und antwortete, ich könne leider nicht kommen, da ich just an diesem Tag schon etwas mit P. vorhätte.

Über die Solidarität meiner Freunde war und bin ich immer noch ganz gerührt. Das kommt selten vor.

Aber manchmal bin ich dann doch tatsächlich ein Problem. Wie bei einer Feier in einem Restaurant mit Tischen, an denen es immer nur eine gerade Zahl an Plätzen gibt. Wo setzt man Emmi hin, zu wem kann man sie setzen? Manchmal lädt man mich lieber gar nicht ein, denn ich bringe die Planung durcheinander:

ICH BIN DIE UNGERADE ZAHL!

© Emma Breuninger 2021-02-13