Die unglückliche Liebe des Schreibens

Linda Riedel

von Linda Riedel

Story

Ich sitze davor und ich kann es einfach nicht mehr. Früher ging es von allein, so spontan und wie unter einer fremden Hand geführt. Worte, die wahre Funken sprühten und in mir selbst etwas entzündeten. Meine Muse tanzte um mich, küsste ungestüm und gestaltete meine Tränen zu sinnlichen Worten um. Sätze, die andere verzauberten, sie inspirierten und wo sich fremde Herzen die Hände schüttelten. Doch nun führt mich etwas anderes. Mächtige Gefühle, die mir das Atmen verbieten und mir doch widerwillig gegen die Stirn schlagen. Immer und immer wieder, bis ich auf die Knie falle und mich ergeben will. Was wollt ihr mir sagen? Ich verstehe es nicht. Wieso verstehe ich es nicht mehr so richtig? Alles, was ich sehe, erstickt mich. Glückliche Menschen mit Talent und einfallsreichen Varianten der Sätze. Ein wahrliches Füllhorn der Fantasie. Freiwillig lassen sie sich gefangen halten von ihrem Rausch des Schreibens. Ich gönne es ihnen, ich hasse nur die Gefühle des Fehlens in mir. Ich will anders sein und doch irgendwie dazu gehören. Selbstliebe und doch Angst vor einem einsamen Tod, in einem verlassenen Raum voller farbloser Wände. Ahnenlos und doch voller Früchte. Die Nacht umhüllt meine Fantasie und doch bangt der Morgen. Oder ich um ihn? Rein gar nichts kann sich drehen, wenn ich es nur will. Irrglauben einer sternlosen Bewegung, die schmerzt und um sich schlägt. Irgendetwas ist dort vor mir. Gestaltet sich aus Erfahrung und Veränderung. Aber irgendwie schaut das Ergebnis doch verschwommen aus. Alles muss vollendet werden, sagt die angeblich offene Stimme in mir. Ich will schreiben! Geschichten zum Leben erwecken mit Charakteren, die nicht gewöhnlich sind. Jeder Mensch, der dies dann liest, sollte sich ein Stückchen erfüllter oder vielleicht auch warmherziger fühlen. Mit Abschnitten, die einen ängstigen, die die Spannung in der Seele packen und am Ende verstehen, dass alles wieder gut wird. Diese Leidenschaft, eine eigene Welt mit der Feder zu erschaffen, entflammt jeden Tag aufs Neue in mir. Und doch ist die Angst über das Versagen, über die Schmach und über die Einbildung zu kraftvoll. Verteufelte Sehnsucht nach Macht und Talent. Ich bin aufrichtig und will es auch bleiben. Stimmt es mich friedlicher, wenn ich das tue, was ich will? Niemals könnte ich ein Brecht, ein Goethe oder ein Hoffmann sein. Doch meinen eigenen schöpferischen Geist zu finden, wäre die pure Erleuchtung auf der irdischen Welt für mich. Ohne Grenzen, ohne Furcht vor der eigenen Einfallslosigkeit, vor der eigenen Einfachheit. Wie soll ich es wagen, dieses Wunderland zu betreten, wenn es eventuell nur für eine Szene ausreichen würde? Die Muse geht auf einen langen Weg des Unbekannten.

© Linda Riedel 2024-11-10

Genres
Lebenshilfe
Stimmung
Reflektierend