In meinem Kopf gibt es eine Vision. In meinem Herzen eine tief verwurzelte Sehnsucht. Die Idee dazu ist schon vor langer Zeit entstanden, doch ich habe sie im Trubel des Alltags und des selbst auferlegten Diktats meiner Konditionierungen bisweilen beiseitegeschoben. Kurzum, ich habe sie verdrängt und sie mir innerlich zu einem gewissen Anteil auch verboten. Nun ist sie wieder da – präsenter, denn je und klarer vor meinem inneren Auge, wie nie zuvor. Die Vision kommt hoch, spricht in Bildern zu mir und ich sehe sie bereits in ihrer vollen Pracht realisiert. Der Traum will nun endlich mein Universum einnehmen, sich manifestieren und zur Welt gebracht werden.
Dabei meine ich nicht den Nachwuchs im herkömmlichen Sinn. Ich habe für diesen Daseinsausdruck entschieden, mich ausschließlich um mein inneres Kind zu kümmern und meine Herzensprojekte als meine Babies wertzuschätzen. Ich habe mich ganz bewusst so entschieden und somit beide Hände frei, um meine Zukunft anzupacken und nach meinen Wünschen, Vorstellungen und Bedürfnissen zu gestalten.
Wie vieles in meinem Leben, ist die Tätigkeit, mit der ich derzeit meine Brötchen verdiene, mustergültig. Matura mit Auszeichnung, (fast) makelloser Studienverlauf, ein Lebenslauf wie aus dem Bilderbuch. Mit einem Übermaß an Beharrlichkeit, Eifer und Erfolgsdruck habe ich Stufe für Stufe der Karriereleiter erklommen. Der Lohn dafür ist finanzielle Sicherheit und verdutzte Blicke, wenn ich mit meinem aparten Firmenwagen vorfahre. Der Preis, den ich dafür zahle, ist, mich täglich nach den Vorgaben anderer verbiegen zu müssen, fortlaufend Termine zu ertragen, die gar kein Ergebnis zum Ziel haben und stetig als Regenbogenforellchen in voller Alarmbereitschaft im Haifischbecken zu schwimmen. Das macht müde, sehr sogar. Es betäubt die Sinne, hinterlässt das dumpfe Gefühl des nackten Funktionieren-müssens und ist der still daherschleichende Feind der Freude.
Vielleicht liegt es an Corona, vielleicht an meinem Freund, der auf der onkologischen Station auf das Ergebnis seiner letzten Untersuchungen wartet, vielleicht an mir selbst – ich möchte nicht mehr warten. Will endlich den Sprung über meinen eigenen Schatten wagen, all die Bedenken wegwischen und die ewigen schwarzmalenden Besserwisser Lügen strafen. Meine Vision ist die Umsetzung meiner Fleisch gewordenen Berufung, die in Form gebrachte Bündelung meiner Talente und Fähigkeiten zu einem stimmigen Ganzen. Sie existiert bereits, ist bereits im Feld der Möglichkeiten. Damit ist sie schon ein Erfolg und ist über jeden noch so logischen Widersacher erhaben. Der richtige Zeitpunkt steht, die Menschen, die mich auf meinem Weg begleiten werden, ebenso. Mein Kopf sprudelt über vor Ideen, mein Herz tanzt vor Freude. Somit halte ich es mit den Worten von William Wordsworth und einer lieben Freundin: „To begin, begin.“
© Elisabetta_Ardore 2020-09-29