von Ehrentraut
Es war irgendwann im Frühling 1999, als ich mit meiner Großmutter in der Küche saß und wir über dies und das tratschten und sie plötzlich aufstand und zu „ihrer“ Lade in der Küchenkredenz ging, wo sie die für sie „wichtigen“ Dinge aufbewahrte. Sie holte ihr Sparbuch heraus, das sie zwischen einigen Postkarten versteckt hielt und erklärte mir, dass das die Ersparnisse für ihr Begräbnis wären, gab mir das Passwort dazu und was zu tun wäre, wenn mal was mit ihr sein sollte.
Sie war damals 73 Jahre alt und von bester Gesundheit und außer ein paar hypochondrischer Kleinigkeiten, wie „Gallenweh“, wie sie einen kleinen Kater bezeichnete, wenn sie zu viel Weißwein am Abend davor trank, hatte sie keinerlei Beschwerden. Ich sagte ihr, dass es bis zu ihrem Tod wohl noch etwas dauern wird, worauf sie meinte, dass man das nie wissen könne.
Ich kann mich noch gut an die Sonnenfinsternis erinnern, die wir dann gemeinsam im Sommer betrachteten, und uns furchtbar ärgerten, als während des kurzen Moments der Finsternis ein lautes Moped vorbeifuhr und die Magie des Moments durch den Lärm völlig zerstört war. Das ist auch eine meiner letzten gemeinsamen Erinnerungen, wo sie noch sie selbst war.
An einem Morgen im Oktober kam sie nicht zum Frühstück, obwohl sie immer eine der ersten war, die in der Früh aufstand. Als wir nachschauen gingen, war sie zwar aufgestanden, aber noch immer in ihrem Zimmer mit etwas in ihrem Kasten beschäftigt und meinte, dass sie gleich kommen würde und nur verschlafen hätte. Wir waren überrascht und als sie dann endlich zum Frühstück kam, merkten wir, dass sie ziemlich verwirrt war und keine klaren Worte mehr sprechen konnte.
Meine Mutter packte sie sofort ins Auto und brachte sie zum Abklären ins Krankenhaus, da wir einen Schlaganfall vermuteten. Zwei Tage später bekamen wir dann die Diagnose: Meine Großmutter hatte einen Hirntumor, der aufgrund seiner Lage und Größe nicht mehr operiert werden konnte. Auch eine Chemotherapie hätte in diesem späten Stadium nichts mehr gebracht. Sie kam als Pflegefall mit Rundumbetreuung wieder nach Hause und hatte in den letzten Wochen bevor sie starb nur mehr wenige lichte Momente wo sie noch bei sich war. In einem davon bedankte sie sich bei mir für Alles und ich habe ihre Worte noch immer im Ohr als ob sie es gestern gesagt hätte.
Meine Großmutter war eine sehr feinfühlige Frau und hatte immer schon Träume, in denen sie die Zukunft sah und manchmal auch hellsichtige Momente wo sie uns Dinge voraussagte, die dann auch tatsächlich passierten. Sie hatte im Frühling wohl auch schon eine Vorahnung auf ihr Ende gehabt.
© Ehrentraut 2021-03-22