Die Wächter der Toten

Ulrike Sammer

von Ulrike Sammer

Story

Heute suchten mein Mann und ich fünf verschiedene Plätze auf, die etwas mit den Toten zu tun haben.

Zuerst gingen wir zur Cestius-Pyramide. Sie ist das pyramidenförmige Grabmal des Volkstribuns Gaius Cestius Epulo. Bestattungen innerhalb der Stadt waren bis ins 5. Jahrhundert verboten. Grabmäler wurden deshalb üblicherweise an den Ausfallstraßen errichtet. Die Cestius-Pyramide steht in exponierter Lage an der Via Ostiensis, die zur Hafenstadt Ostia führte. Nach der Eroberung Ägyptens durch Kaiser Augustus kamen ägyptische Kultur und Bräuche in Rom in Mode. Diese umfassten auch Bestattungen in Pyramiden, sodass mehrere Römer sich kleine Pyramiden als Grabstätten bauen ließen. Heute ist von dieser kurzen Episode der römischen Kultur nur noch die Cestius-Pyramide übrig. Der Bau entstand zwischen 18 und 12 v. Chr. Er wurde als Ziegelbauwerk ausgeführt und mit Travertin- und Marmorplatten verkleidet.

An der westlichen Seite der Pyramide wurden spätestens von 1732 an nicht-katholische Tote bestattet. Das Begräbnisfeld wurde 1821 offiziell zum Protestantischen Friedhof. Hier sind zahlreiche Gräber prominenter Zeitgenossen aus aller Welt zu finden, zum Beispiel von Goethes Sohn. In diesem idyllischen Landschaftsfriedhof, der von auffallend vielen Katzen bewacht und bewohnt wird, gibt es lauter kleine Buchseinfriedungen und viele Zypressen.

Nun fuhren wir zum größten Friedhof Roms, dem Campo Verano. Die umlaufenden Säulenhallen sind voll der prächtigsten und pompösen Grabdenkmäler. Aber weiter hinten gibt es auch anderes. Zufällig kamen wir am sehr schlichten Grab des Schauspielers Vittorio Gassmann vorbei. Auf diesem Friedhof liegen viele Prominente von Bud Spencer bis Marcello Mastroianni.

Sehr beeindruckt waren wir auch von den Katakomben von Callisto. In mehreren Stockwerken wurden auf 20 km 400000 Gräber in den Fels gehauen, darunter sogar einige für Päpste. Manchmal sind noch frühchristliche Fresken zu sehen. Die ältesten Gräber stammen aus dem 2. Jh.

Wie sahen auf unserer Reise Dutzende prachtvolle Kirchen, aber mein Favorit ist eine Kirche, die im Reiseführer kaum erwähnt wird: Santa Maria della Concezione (1631) ist eine unscheinbare Kirche des Kapuzinerordens, aber die Krypta ist einzigartig! Bis 1870 wurden die Skelette von 4000 Kapuzinern nicht nur gelagert, sondern verarbeitet. In sechs, durch einen gemeinsamen Gang verbundenen Räumen wurden Schädel, Beckenknochen, Wirbel und Schulterblätter zu Wanddekorationen, Blüten, und biblischen Darstellungen arrangiert. Wir sahen sogar einen komplett aus Knochen gefertigter Leuchter, der von der Decke des Raumes hängt. Drei stehende und zwei liegende Gerippe in Kutten wurden dekorativ platziert. Wirklich unvergesslich! Die Kapuziner steigen jeden Abend in die Krypta hinunter um zu beten und zu meditieren.

Schließlich war es an der Zeit wieder hinauf ans Tageslicht und unter die Lebenden zu kommen!

© Ulrike Sammer 2022-02-21

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