Die wahre Geschichte über das Kaiserworth (1)

Heinz-Dieter Brandt

von Heinz-Dieter Brandt

Story

Die Stadt Goslar hat mit der Marketinggesellschaft einen Wettbewerb ausgeschrieben: Für die Vorweihnachtszeit sollte ein besonderer Adventskalender mit 24 Märchen über Goslar erstellt werden, für jeden Tag ein Märchen bis Heiligabend. Diese Märchen würden zusammengefasst in einem „Goslarer Märchenbuch“ erscheinen. Die jeweiligen Autoren sollten ihre Märchen auf dem Weihnachtsmarkt in Goslar abends dann öffentlich vortragen. Also habe ich mich nun anstatt an einem Krimi mal an einem Märchen versucht – wohl wissend, dass zum Märchen gewisse Gestaltungselemente gehören, wie „Aufgaben“, „Rätsel“, „sprechende Tiere“ und viel „Fantasie“.

Von den hunderten von Einsendungen, blieben nur 24 übrig, natürlich. Mein Märchen, nicht unbedingt ein „Weihnachtsmärchen“, gehörte dazu. Es handelt um das Hotel Kaiserworth, ein historisches Juwel in Goslar, in zentraler Lage, mit historischer Bausubstanz und Geschichte, das, ebenso wie das berühmte „Brusttuch“, leider seit Jahren geschlossen ist. Warum? Nun das erzähle ich hier.



Als das Hotel und Restaurant Kaiserworth in Goslar noch geöffnet war, trafen sich dort die unterschiedlichsten Gruppen. Eine dieser Gruppen war die Stammtischrunde „Kunterbunt“. Zu ihr gehörten ein borkenkäferzählender Harzer Forstgeselle, ein nach besonderem Metall suchender Prospektoranwärter, ein digitalverliebter Medienprofi und ein quirliger Quartalssäufer mit seiner quälgeistigen Quotenfrau. Da man sich der Geschichte Goslars bewusst war, erzählte sie sich gerne Episoden … unter anderem über einen Grafen.

Es war einmal ein berühmter Welfengraf, der vor einigen Jahrhunderten regelmäßig zu Pferd die Stadt Goslar besuchte.
Er hieß „Wilhelm der Wonnige“ aus Wolfenbüttel. Da er ein sehr reinlicher Graf war, wollte er die Straßen nicht mit verschmutzten Pferdehufen verunreinigen und ließ sein Pferd immer erst durch die Gose traben, um die Hufe zu säubern.

Nun trug es sich zu, dass bei einem seiner Besuche sein Pferd, dass auf den schönen Namen „Herr von Cirrus zu Caudae“ hörte, ein Name, der den schönen Schweif des Pferdes würdigte, in der Gose stolperte und seinen Herrn abwarf.

Da lag er nun, mit dem Kopf unter Wasser und wäre normalerweise ertrunken, wenn nicht ein Mädchen daherkommen wäre, die auf dem Jacobusmarktplatz Rhabarber verkaufen wollte. Sie tat das an jedem Markttag, weshalb man sie auch die rhabarberliebende Barbara nannte.

Als sie nun den Grafen so hilflos liegen sah, eilte sie herbei, zog ihn hoch und bettete ihn am Ufer. Nun hatte Barbara keine Ahnung von Wiederbelebung oder Erster Hilfe, aber sie dachte, wenn sie ihn nur genügend schüttelte und freundlich mit ihm sprach, würde es dem hohen Herrn gefallen und er würde bald wieder zu sich kommen.

Und so geschah es. Der Graf, der sich schon fast im Himmel wähnte und glaubte, von einem Engel gestreichelt zu werden, kam zu sich, schlug die Augen auf und war vom ersten Anblick überwältigt.

© Heinz-Dieter Brandt 2024-12-22

Genres
Romane & Erzählungen
Stimmung
Komisch