von Anatolie
Als Kind bin ich an so manchem Nachmittag vor Katalogen wie ‚Quelle‘ oder ‚Universal Versand‘ gesessen und habe darin geblĂ€ttert. Neugierig und mit groĂen Augen verschlang ich alles, was es da an Mode, Spielzeug oder Haushaltsartikeln zu sehen gab. Besonders angetan war ich von der mĂ€rchenhaften pastellfarbenen BettwĂ€sche mit Regenbogen- oder Sternchenaufdruck. Lustig waren auch die UnterwĂ€scheseiten. Mir gefielen die lachenden Gesichter und ich hatte immer ein paar Lieblinge unter all den Fotomodels. Man kann sich kaum noch vorstellen, was ein Kind in den 1970er Jahren noch alles guckte, zu einer Zeit, als es weder Smartphones noch Internet gab. Ganz besonders fasziniert war ich von den Puppen. Ich schaute sie mir immer wieder an und trĂ€umte mich so durch den Tag. Meine Mama bestellte sich zwar hin und wieder etwas, meistens Unterhosen und Pyjamas, es wĂ€re mir aber gar nie eingefallen, sie um eines dieser Spielzeuge zu bitten. FĂŒr mich waren diese verlockenden Dinge auf dem Papier keine realen GegenstĂ€nde, ich betrachtete sie einfach nur als schöne Bilder. Wir hatten auch HochglanzbroschĂŒren fĂŒr Gartenfreunde, diese unglaubliche Vielfalt an Pflanzen, BlĂŒten und Farben konnte mich stundenlang in ihren Bann ziehen.
Wenn es etwas gab, das ich unbedingt einmal haben wollte, dann waren es Sachen, mit denen auch andere Kinder spielten. Meine erste Barbie bekam ich aber erst, nachdem ich meine Eltern lange genug genervt hatte. An die Hundert Schilling kostete damals so eine Barbie mit Zubehör, meine Mutter fand den Preis ziemlich unverschĂ€mt. Sie hatte nur wenig VerstĂ€ndnis fĂŒr solch filigranen Firlefanz, auch das âZuckerl trantschelnâ und den ganzen Ramsch aus dem Kaugummiautomaten drehen sollte ich besser unterlassen, ich bekam deshalb auch nur wenig Taschengeld.
Apropos Geld! Schon als ErstklĂ€sslerin hatte ich ein eigenes Sparbuch. Das ging von einer Initiative unserer Lehrerin aus. Eltern sollten ihren Kindern den Umgang mit Geld und auch das Sparen nĂ€herbringen. Ich weiĂ noch, dass es ein gelbes BĂŒchlein war, auf dem âHelga Höwaâ stand â wie man meinen Familiennamen richtig schrieb, wusste ich damals noch nicht. Ein Bankbeamter war zu uns in die Schule gekommen, dieser eröffnete die Konten der Kinder und die meisten hatten auch Geld von zu Hause mit dabei, das sie einlegen sollten. Bei mir mĂŒssen es an die 60 Schilling gewesen sein. Aber ich hatte den Sinn des Sparbuchs noch nicht begriffen, ich sah nur das schöne Geld im Sack des Bankbeamten verschwinden. âBitte, geben Sie es mir wieder zurĂŒck!â, sagte ich. So war ich am Ende die einzige mit einer Null am Sparbuch aber mit einem kleinen Vermögen in der Tasche. Meine Eltern haben’s mir aber wieder weggenommen.
In der Eckbank unserer KĂŒche stand ein altes RadiokassettengerĂ€t. Meine Eltern hörten nur Volksmusik und Schlager, ich dachte lange, es gibt gar nichts anderes. Auf die Idee, dass sich manche RĂ€der einfach drehen lassen und die Welt auch andere KlĂ€nge kennt, bin ich lange nicht gekommen. Einmal fand ich eine weggeworfene Kassette mit Abba-Liedern. Eine völlig neue Welt tat sich da fĂŒr mich auf! Ich lernte schlieĂlich Ă3 kennen und viele der alten Schlagerkassetten meiner Eltern wurden einfach an den Ecken ĂŒberklebt und ĂŒberspielt.
© Anatolie 2022-04-26