Die Welt der Schiedsrichter

Gerlinde Bruckner

von Gerlinde Bruckner

Story

Von allen gehasst und beschimpft, einsam auf dem Platz unter vielen, manchmal tausenden Zuschauern – man fragt sich zwangslĂ€ufig: was bringt einen Menschen dazu, sich das freiwillig anzutun? Wem will ein Schiri etwas beweisen, sich selbst oder den Spielern, den Fans?

Keine Frage, es muss im Sport jemanden geben, der auf die Einhaltung der Regeln und auf Fairplay achtet. Aber was sind das fĂŒr Menschen? Sind sie frustriert, weil sie vielleicht aus gesundheitlichen GrĂŒnden oder mangels Talent nicht selbst spielen können und suchen sie deshalb auf diese Art und Weise die Möglichkeit, sich zu profilieren?

Über all das denke ich zwangslĂ€ufig im Hinterkopf nach als ich zufĂ€llig in einer Disco einen Unterliga-Schiri kennenlerne, mit dem ich mich endlich mal wieder ĂŒber Fußball unterhalten kann, nachdem ich lĂ€ngere Zeit keinen GesprĂ€chspartner dafĂŒr hatte. Sein Auftreten und seine Ausstrahlung faszinieren mich von Anfang an. Ich mag seine geradlinige Art und frage mich, ob er sich auf dem Platz auch so verhĂ€lt. Er erzĂ€hlt mir von einem Landesliga-Spiel, bei dem er als Assistent auf der Linie Beschimpfungen aus der untersten Schublade ĂŒber sich ergehen lassen musste. Auf der einen Seite tut er mir leid, andererseits hat er dieses Schicksal selbst gewĂ€hlt, wenn auch nur hobbymĂ€ĂŸig, wo er auch jederzeit damit aufhören könnte.

Insgeheim bewundere ich ihn dafĂŒr, wie er da drĂŒbersteht und zu seinen Entscheidungen, aber auch Fehlern steht, trotz des Wissens, dass er sich zumindest auf einer der beiden gegnerischen Seiten damit unbeliebt macht. FĂŒr so etwas muss man schon „Eier haben“, wie man so schön sagt.

Mir fĂ€llt ein, dass ich vor lĂ€ngerer Zeit schon mal etwas ĂŒber Schiedsrichter gelesen habe. Ich mache mich auf die Suche und finde in meinem BĂŒcherregal die Biografie von Pierluigi Collina, der in seinem Buch die eingangs erwĂ€hnten Fragen aus seiner Sicht beantwortet. Nach ĂŒber 10 Jahren lese ich das Buch nochmal um ein paar Einblicke zu bekommen.

Mich reizt der Gedanke, ihn einmal zu einem Match zu begleiten und ihn zu beobachten – also nicht Collina, sondern meinen neuen Bekannten. Nur einmal habe ich bisher erlebt, dass ein Schiri bei einem Spiel eine Frau mitgebracht hat, und die wurde noch Ă€rger beschimpft als er selbst. Könnte ich das wegstecken? Um das herauszufinden, muss ich es wohl darauf ankommen lassen.

Als ich auf Facebook Fotos von ihm in seiner schwarzen Dress sehe, hat das auf mich die gleiche Wirkung, wie sie viele MĂ€nner in Uniform auf Frauen haben. Ich habe eine Fußballdress nie als Uniform betrachtet, warum dann eine Schiri-Dress? Zeigt sie Dominanz? Die Pfeife und die Karten verleihen ihm schließlich eine gewisse Macht, Entscheidungen zu treffen, aber man benötigt auch das entsprechende Auftreten um sich den Respekt der Spieler zu verdienen. Ich möchte sehen, wie er das auf dem Platz macht und vor allem, ob er das auch abseits davon im wahren Leben kann.

© Gerlinde Bruckner 2019-06-20

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