Jahr 2023: Helen konnte es kaum erwarten mit ihren Freunden das Wochenende in der WaldhĂŒtte ihrer Familie zu verbringen. Zuletzt waren sie gemeinsam als Kinder dort gewesen, nun wĂŒrde sie ihren Schulabschluss feiern und in nostalgischen Erinnerungen schwelgen, ehe die RealitĂ€t zurĂŒckkehrte. Am Abend machten es sich die fĂŒnf jungen Erwachsenen am Lagerfeuer gemĂŒtlich und rösteten dabei ein paar Marshmallows. Bis auf das Knistern des Feuers und das Zirpen der Grillen war es still im WĂ€ldchen. Die Sterne leuchteten hell am Himmel und alles wirkte im Vergleich zu der Stadt friedvoll. âWas fĂŒr ein Klischeeâ, maulte Kathi angewidert und verzog das Gesicht. Sie betrachtete Noah, der sich gerade die klebrige Masse in den Mund schob. Mit einem frechen Grinsen riss er Kathis Stock aus ihrer Hand. âIch ĂŒbernehme gerne!â Belustigt aĂ er auch ihr Marshmallow. âWo ist eigentlich Dylan?â, lenkte Fynn ein. Genau in diesem Moment schepperte es und alle zuckten zusammen. Jemand fluchte im Wald. âDylan? Ist alles in Ordnung?â, rief Helen und sah ihre Freunde an. Dann legten sie ihre Stöcke nieder und folgten der noch immer fluchenden Stimme. Dylan humpelte auf einem Bein und stĂŒtzte sich an einem Baumstamm ab. âIch bin ĂŒber dieses Metall Ding gestolpert!â Kathi grinste höhnisch. âDu bist unfassbar tollpatschig, weiĂt du das eigentlich?â Sie warf ihr dunkles Haar nach hinten und schaute ĂŒber Helens Schulter, die bereits den seltsamen Gegenstand in Augenschein nahm. Auch Fynn beugte sich zu ihr hinunter. âDa ist doch etwas vergraben.â Gemeinsam schoben sie den matschigen Schlamm beiseite, ehe eine verrostete Kiste zum Vorschein kam. âWas ist das?â, fragte Fynn neugierig. âVielleicht die Ăberreste eines Mordes.â Kathi warf Noah einen bösen Blick zu. âRed doch keinen Unsinn.â Es war zu dunkel, um den genauen Inhalt zu erkennen, daher nahmen sie die schwere Kiste mit zu ihrem Lager. Fynn schaltete seine Handytaschenlampe ein und leuchtete auf die eigenartige Kiste. Noah rĂŒttelte an dem rostigen Verschluss der Truhe, bis Dreck aus der Ăffnung rieselte und der Deckel aufsprang. Zum Vorschein kamen eine Reihe an GegenstĂ€nden: Ein Halstuch, ein Bierdeckel, eine getrocknete BlĂŒte, eine alte Brosche, ein StĂŒck einer zerbrochenen Schallplatte, eine Metallmarke, zwei Fotografien, eine geschnitzte Holzfigur, Apfelkerne und etwas, was wie ein Zeitungsabschnitt aussah. Kathi verzog erneut das Gesicht. âEine Kiste voller Schrott?â Helen hingegen strahlte bis ĂŒber beide Ohren. Sie wischte den Dreck auf der Kiste weg, bis eine Zahl erkenntlich wurde. âDas Jahr 1958. Es ist sicher eine Zeitkapsel!â
âEine was?â Dylan lieĂ sich auf einen der CampingstĂŒhle fallen und rieb ĂŒber seinen Knöchel.
âEine Zeitkapsel. Dort hat man Briefe oder GegenstĂ€nde fĂŒr die Zukunft hinterlassen. Zur Erinnerung.â
âVermutlich hat der viele Regen die Kiste an die OberflĂ€che befördertâ, ergĂ€nzte Fynn. âAber was haben die Dinge zu bedeuten?â Kathi versuchte nun doch interessiert etwas auf der Zeitung zu entziffern. Helen untersuchte wĂ€hrenddessen den Inhalt genauer an und fand eine weitere MetallbĂŒchse, die eine Reihe von Briefen enthielt.
âNa, was haltet ihr davon? Wer hat Lust auf eine gute alte Lagerfeuergeschichte?â Fynn war der Erste, der sich einen Brief schnappte. âDie sind wirklich gut erhalten.â Die Marshmallows wurden unwichtig und so begannen die fĂŒnf Freunde, die Briefe der Vergangenheit zu lesen.
© Michelle Schymkowitz 2023-06-15