Die Zeitkapsel

Michelle Schymkowitz

von Michelle Schymkowitz

Story

Jahr 2023: Helen konnte es kaum erwarten mit ihren Freunden das Wochenende in der WaldhĂŒtte ihrer Familie zu verbringen. Zuletzt waren sie gemeinsam als Kinder dort gewesen, nun wĂŒrde sie ihren Schulabschluss feiern und in nostalgischen Erinnerungen schwelgen, ehe die RealitĂ€t zurĂŒckkehrte. Am Abend machten es sich die fĂŒnf jungen Erwachsenen am Lagerfeuer gemĂŒtlich und rösteten dabei ein paar Marshmallows. Bis auf das Knistern des Feuers und das Zirpen der Grillen war es still im WĂ€ldchen. Die Sterne leuchteten hell am Himmel und alles wirkte im Vergleich zu der Stadt friedvoll. „Was fĂŒr ein Klischee“, maulte Kathi angewidert und verzog das Gesicht. Sie betrachtete Noah, der sich gerade die klebrige Masse in den Mund schob. Mit einem frechen Grinsen riss er Kathis Stock aus ihrer Hand. „Ich ĂŒbernehme gerne!“ Belustigt aß er auch ihr Marshmallow. „Wo ist eigentlich Dylan?“, lenkte Fynn ein. Genau in diesem Moment schepperte es und alle zuckten zusammen. Jemand fluchte im Wald. „Dylan? Ist alles in Ordnung?“, rief Helen und sah ihre Freunde an. Dann legten sie ihre Stöcke nieder und folgten der noch immer fluchenden Stimme. Dylan humpelte auf einem Bein und stĂŒtzte sich an einem Baumstamm ab. „Ich bin ĂŒber dieses Metall Ding gestolpert!“ Kathi grinste höhnisch. „Du bist unfassbar tollpatschig, weißt du das eigentlich?“ Sie warf ihr dunkles Haar nach hinten und schaute ĂŒber Helens Schulter, die bereits den seltsamen Gegenstand in Augenschein nahm. Auch Fynn beugte sich zu ihr hinunter. „Da ist doch etwas vergraben.“ Gemeinsam schoben sie den matschigen Schlamm beiseite, ehe eine verrostete Kiste zum Vorschein kam. „Was ist das?“, fragte Fynn neugierig. „Vielleicht die Überreste eines Mordes.“ Kathi warf Noah einen bösen Blick zu. „Red doch keinen Unsinn.“ Es war zu dunkel, um den genauen Inhalt zu erkennen, daher nahmen sie die schwere Kiste mit zu ihrem Lager. Fynn schaltete seine Handytaschenlampe ein und leuchtete auf die eigenartige Kiste. Noah rĂŒttelte an dem rostigen Verschluss der Truhe, bis Dreck aus der Öffnung rieselte und der Deckel aufsprang. Zum Vorschein kamen eine Reihe an GegenstĂ€nden: Ein Halstuch, ein Bierdeckel, eine getrocknete BlĂŒte, eine alte Brosche, ein StĂŒck einer zerbrochenen Schallplatte, eine Metallmarke, zwei Fotografien, eine geschnitzte Holzfigur, Apfelkerne und etwas, was wie ein Zeitungsabschnitt aussah. Kathi verzog erneut das Gesicht. „Eine Kiste voller Schrott?“ Helen hingegen strahlte bis ĂŒber beide Ohren. Sie wischte den Dreck auf der Kiste weg, bis eine Zahl erkenntlich wurde. „Das Jahr 1958. Es ist sicher eine Zeitkapsel!“
„Eine was?“ Dylan ließ sich auf einen der CampingstĂŒhle fallen und rieb ĂŒber seinen Knöchel.
„Eine Zeitkapsel. Dort hat man Briefe oder GegenstĂ€nde fĂŒr die Zukunft hinterlassen. Zur Erinnerung.“
„Vermutlich hat der viele Regen die Kiste an die OberflĂ€che befördert“, ergĂ€nzte Fynn. „Aber was haben die Dinge zu bedeuten?“ Kathi versuchte nun doch interessiert etwas auf der Zeitung zu entziffern. Helen untersuchte wĂ€hrenddessen den Inhalt genauer an und fand eine weitere MetallbĂŒchse, die eine Reihe von Briefen enthielt.
„Na, was haltet ihr davon? Wer hat Lust auf eine gute alte Lagerfeuergeschichte?“ Fynn war der Erste, der sich einen Brief schnappte. „Die sind wirklich gut erhalten.“ Die Marshmallows wurden unwichtig und so begannen die fĂŒnf Freunde, die Briefe der Vergangenheit zu lesen.

© Michelle Schymkowitz 2023-06-15

Genres
Romane & ErzÀhlungen, Anthologien
Stimmung
Abenteuerlich, Herausfordernd, Komisch, Inspirierend, Mysteriös
Hashtags