von Regina Gräbner
Mein Mann hatte es gut gemeint.
Einen großen Sack Zwiebeln vom Markt mitgebracht. Viel zu viel.
Seither gibt es sehr viele Zwiebelgerichte.
Beim Zubereiten, kullern die Tränen und mir kommt mal wieder die tiefe Bedeutung der Zwiebel und ihrer Schichten.
Und hier an diesem Ort geht es um Geschichten schreiben. Wie wundervoll und beflügelnd.
Ge -schichten die durch das Leben entstehen. So einzigartig wie wir alle sind.
Immer wieder ist mir in der Psychologie das Zwiebelmodell begegnet. Ich finde es sehr bedeutungsvoll.
Und ich mag die Geschichten unseres Lebens. Es ist so spannend. So berührend. Kann ich eine Erfahrung heute als Geschichte betrachten ? Sie entspannt erzählen ?
Oder belastet sie mich noch sehr.
Ich habe in mir Erfahrungen, Geschichten, die mir immer noch sehr weh tun und beim Zwiebelschälen fällt es mir so leicht zu weinen und den tieferen Sinn dieses Zwiebelmodells zu verstehen.
Die schmerzhaften Erfahrungen insbesondere aus unserer Kindheit, legen sich wie Schichten um unseren Wesenskern.
Der Wesenskern, für mich die Seele, unantastbar, unzerstörbar.
Und die Schichten die sich durch schmerzhafte Erfahrungen drüberlegen, sich bilden, folgen einer weisen Instanz in uns.
Es geht um Schutz. Und es ist gut so.
Bis irgendwann in unserem Leben eine Art Umkehrpunkt geschieht.
Da dürfen wir uns den Zwiebelschalen wieder widmen. Es braucht Mut, es braucht einen Grund, einen Anstoß. Das Leben sorgt dafür. Vielleicht auch der Körper, der uns herausfordert hinzuschauen. Jeder Mensch geht seinen ganz eigenen Weg damit.
Diese Schichten achtsam, liebevoll, einzeln, ganz bewusst, betrachten.
Verstehen, sie sprechen lassen. Würdigen für was sie gut waren.
Und da fließen auch die Tränen.
Ja, es tut weh. Es brennt. Es schmerzt.
Es ist alt, vielleicht richtig verklebt im inneren.
Oh, wie die Augen brennen und es fließt und fließt.
Die Nase wird geschnäuzt. Die Augen sind abgewischt.
Und einmal kommt wieder Ruhe hinein. Der Sturm ist vorbei.
Und ein neuer Frieden, eine Klarheit macht sich breit.
Es sind die Ge-schichten aus unserem Leben, die sich Schicht für Schicht um uns gelegt haben.
Sie fangen an, mit uns zu sprechen. Werden noch einmal lebendig.
Wenn die Zeit reif ist, dann dürfen sich diese Schichten lösen und wir kommen unserem Wesenskern immer näher.
Der Weg nach Hause. Zu uns selbst. Zu unserem wahren Selbst.
Unser inneres Licht kommt zum Strahlen. Die Liebe kann wieder freier fließen.
Und die Augen beginnen wieder zu strahlen, nachdem der Tränenfluss sich beruhigt hat.
Ich bin mittendrin in diesem Prozess und es ist gut so.
Und heute gibt es Zwiebelsuppe und morgen Kässpätzle.
Dann brauche ich mal wieder Pause.
Schritt für Schritt.
Schicht für Schicht.
Zeit zu verarbeiten und loszulassen.
Mich in das neue Fühlen hineinbegeben. Vielleicht ein wenig verletzlicher. Und doch freier, leichter.
Danke an das Leben, danke an dich Zwiebel.
Und guten Appetit.
© Regina Gräbner 2022-05-04