dimidium animae meae.

Philomena Decker

von Philomena Decker

Story

Hallo! Ich bin Lila. Also nein, ich bin nicht lila. Obwohl – irgendwie ja schon. Ahh, lassen wir das. Mein Name ist Lila. 

Schön, dass ihr hierher gefunden habt, freiwillig – oder unfreiwilligerweise müsst ihr mir nun wohl zuhören. Gut, ihr hättet auch die Möglichkeit, das Buch einfach zuzuklappen, aber glaubt mir, diese Geschichte wollt ihr nicht verpassen.Versprochen. Aber fangen wir von vorne an.

Es war einmal im schönen Bayern, in einer süßen Kleinstadt, vielleicht einen Tagesritt von München entfernt, als ein junges Mädchen namens Lila geboren –

Okay, so weit zurück müssen wir jetzt auch nicht gehen, lieber Herr Erzähler. Fang im August 2023 an, ja?

Es war einmal im schönen Bayern, in einer süßen Kleinstadt, vielleicht einen Tagesritt von München entfernt, als die junge Lila von ihrem Freund verlassen wurde. 

Wow, stop! Mit noch weniger Gefühl gings bei dir auch nicht, oder? Okay, cut. Ich bin hier die Regisseurin und du bist gefeuert.

Der Tag, an dem Matheo ging, war der schlimmste in meinem bisherigen Leben. Es fühlte sich an, als würde die Hälfte meiner Seele fehlen. Ich hatte immer an Schicksal geglaubt und war felsenfest davon überzeugt gewesen, dass er und ich zusammengehörten. Ich war mir sicher, ich hätte die andere Hälfte meiner Seele gefunden. Die, die andere mit 71 noch nicht gefunden hatten, die, nach der wir alle suchten, nachdem Zeus aus Wut die Kugelmenschen gespalten hatte.

Welche Kugelmenschen, fragt ihr euch jetzt bestimmt. Ich will es euch erklären.

Die Kugelmenschen sind mystische Wesen der Antike. Wahrscheinlich hat sich Platon, ein griechischer Philosoph, diese Story selbst ausgedacht, das macht sie aber nicht weniger wunderschön. Dem Mythos zufolge hatten Menschen kugelförmige Rümpfe, vier Hände und Füße und zwei Gesichter mit je zwei Ohren auf einem Kopf, den ein kreisrunder Hals trug.Die Kugelmenschen verfügten über gewaltige Kraft und großen Wagemut. In diesem Übermut wollten sie sich einen Weg zum Himmel bahnen und die Götter angreifen. Davon bekamen dann auch die Götter Wind, aber diese wollten die Menschen aufgrund der Ehrenbezeugungen und Opfergaben nicht vernichten. So beschloss Zeus, die Kugelmenschen zu schwächen, indem er jeden von ihnen in zwei Hälften zerschnitt. Dies hatte auch den Vorteil, dass sich somit die Geschenke für die Götter verdoppelten.

Ziemlich gierig, oder?

Apollon wurde anschließend damit beauftragt, die Menschen am Nabel zusammenzubinden und Falten zur Erinnerung an diese Teilung zu hinterlassen. Die Menschen litten sehr unter der Trennung von ihren anderen Hälften. Seitdem sucht jede Seele ihre zweite Hälfte.

Verrückt, was Platon sich da ausgedacht hat, nicht wahr?

Dimidium animae meae – die Hälfte meiner Seele.

© Philomena Decker 2024-01-29

Genres
Romane & Erzählungen
Stimmung
Emotional, Hoffnungsvoll, Inspirierend