Dino an der Decke

Janina Wiese

von Janina Wiese

Story

Vor drei Wochen und sechs Tagen war mein Neffe bei uns zu Besuch. Er ist ein großer Fan von Dinosauriern. Die mag er jetzt schon seit über einem Jahr. Das grenzt für sein Alter, wo die Faszination stetig kommt und geht, fast an ein Wunder. Mein Neffe und meine Schwester, seine Mutter, sind nicht oft hier in Deutschland, deshalb ist es etwas ganz Besonderes für die Familie.

Um den Anlass gebührend zu würdigen, hat meine Mutter, seine Oma, einen großen Dino-Ballon gekauft, den sie überraschend bei Woolworth gefunden hat. Den wollte sie dann mit Helium füllen, damit er schön in der Luft schwebt. Schlussendlich hab ich das dann gemacht, aber was solls, meinem Neffen hat’s gefallen. Und zwar sehr. Wir mussten dann sogar eine Schnur an den Ballon binden, die wir an seinem Handgelenk befestigt haben. So konnte er in der Wohnung entspannt Sachen machen, ohne dabei die Anwesenheit des aufgeblasenen Dinos einzusparen.

Drei Tage später war mein Neffe dann weg, aber der Dino an der Decke blieb. Grün und glänzend, langer Schwanz, kurze Arme. Ein T-Rex halt. Ein schwebender Gast, der sich im Wohnzimmer einquartiert hatte. Wir hatten ihn zwar eingeladen, aber mit dem Hierbleiben hatten wir nicht viel zu tun. Das war eher ein Versehen, so Nebensache. Ich bin meinem Alltag nachgegangen, immer diese Gestalt im Schatten, und die Tage vergingen irgendwie. Plötzlich war fast eine Woche gekommen und gegangen und der Dino, der von einer Ecke zur anderen gewandert und um einige Größen geschrumpft war, starrte mich immer noch aus der Luft an.

Das war wie mit dem Weihnachtsbaum, den man nicht abbaut oder wegbringt, und der dann noch Anfang Februar Platz im Raum einnimmt. Die nächsten zwei Tage, für seine verbleibende Lebenszeit, habe ich ihn einfach existieren lassen. Bei jedem flüchtigen Blick musste ich an meinen Neffen und seine Leidenschaft für Dinos denken. Das war dann wie ein Feedback-Loop und durch den Gedanken an den Dino und dann meinen Neffen und dann seine Freude, musste ich ständig lächeln, da ich mich selbst beim Zurückdenken über seine Begeisterung freute und dadurch selber glücklicher wurde. Komisch, wie das funktioniert, aber es hat mir erneut bewusst gemacht, wie wichtig es ist, dass wir uns mit Dingen umgeben, die uns positiv beeinflussen.

© Janina Wiese 2023-03-09

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