von Barbara Prinz
Covid-19, der Virus schafft Distanz.
Erinnerungen kommen hoch. Als sich ein unangenehmer Druck um meinen Brustkorb legte. Wie ein enges Band mit AnhĂ€ngeschloss daran, das mit einem âKlickâ einrastete. Das GerĂ€usch zwang mich in die Knie. Ich fiel. Ein stummer Schrei formte sich auf meinen Lippen. „Nein! Nicht mit mir!“
Dieser Schmerz, diese LĂŒcke, geschaffen durch einen Virus, diese plötzliche Fremdbestimmung gefĂ€llt mir nicht.
Ich denke an jene Tage zurĂŒck, wo ich einsamer nicht hĂ€tte sein können. Damals, in einer lĂ€ngst vergangenen Beziehung, verzweifelt und ratlos.
âDu GlĂŒckliche, Du kannst Dir heute einen gemĂŒtlichen Abend machen, mit IHM! Ich wĂŒrde gerne mit Dir tauschen!â, sagt sie, meine Bekannte. Sie sei Alleinerzieherin und sehne sich nach einer Partnerschaft. âKuscheln, HĂ€nde halten und gemeinsam einen Film anschauen, gell, das ist das Schönste!â Ich höre ihre Worte, mir wird augenblicklich flau. Bringe ein LĂ€cheln zustande, welches nicht annĂ€hernd meine Augen erreicht. Egal, sie bemerkt ohnehin nicht, was sich in mir abspielt. Ich könnte mich jetzt im Bad einsperren und losheulen, denke ich. Ich nicke tapfer, möchte ihre SeifenblasentrĂ€ume nicht platzen lassen. Menschen sind blind, auch heute. RĂŒcken wir nun in Coronazeiten wirklich nĂ€her zusammen? Leben wir innigere NĂ€he?
Eine weiterer Erinnerungsfetzen drĂ€ngt vor. âBitte, nimm mich in Deine Arme!â, sagte ich, âich brauche Dich!â Je mehr ich diese unsichtbare Mauer durchbrechen wollte, umso mehr tat sich ein Abgrund auf. Woher sollte ich die Energie nehmen, um diesen Graben zu bewĂ€ltigen? Ich war nicht bereit, mich davon verschlingen zu lassen, zu groĂ war mein Ăberlebenswille.
Und auch heute, wenn ER, der Virus um mich ist, gebe ich nicht auf.
âRede mit mir! Wir sind ein Team, wir finden gemeinsam eine Lösung!â, unterbrach ich diese unangenehme Stille. Es war eine Gratwanderung, der Boden unter meinen FĂŒĂen wankte.
âNicht jetzt! Ich bin mĂŒde!â, seine imaginĂ€re Welt schenkte ihm Sicherheit. Er als Technikfreak vertieft sich in Spiele. Dort war ER der Gewinner. Unantastbar. Stark.
Ich zog mich zuerst dorthin zurĂŒck, wo ich mich sicher fĂŒhlte. Ich nutzte meine kreativen Möglichkeiten, Balance zu bewahren. Meine innere Stimme drĂ€ngte mich. âLass Dir das nicht gefallen!“ Ich schĂŒttelte den Kopf. âEs ist, wie es istâ, tröstete ich mich. âSchau, ich bin stark!â Die GerĂ€usche im AuĂen taten mir gut, denn die reale Welt ĂŒbertönte meinen inneren Schmerz.
Endlich erkannte ich die Weisheit darin. Die Distanz zeigte sich im Spiegel, die Parallele zu meinen Erfahrungen, motivierte mich, dem Virus nicht nur meinen eigenen, inneren Schmerz, sondern auch meine Haltung, meinen Mut, sehr klar und deutlich zu signalisieren. „Nein, nicht mit mir!“
Ich begriff: Distanz verliert. Immer. Wir lernen durch Spiegelbilder. Liebe, WĂ€rme und offene Herzen gewinnen und kreieren die neue Welt. Unsere neue Welt.
© Barbara Prinz 2020-04-01