von thestorycurator
Die Filmszene zu diesem Roadtrip: Helikopteraufnahme von einem quietschlila Bus, der alleine durch die Wüste düst. Der Soundtrack kackt ab: Down Under in Dauerschleife, um uns alle daran zu erinnern, dass wir in Australien sind. Luisa und ich teilen uns seit drei Tagen die wichtigsten Dinge: Sitzbank, Doppelbett und Mückenspray. Wir biegen ab und plötzlich wird die gemütliche Fahrt zum Horror-Trip auf der Vibra-Plate. „Welcome to the Oodnadatta Track”, sagt Flic, unser Guide, und klingt dabei, als würde sie uns im Disney Land begrüßen. „This is like Route 66 – pure freedom.“
Zu Beginn ist es vor allem der Freifahrtschein fürs Blödeln. Wenn wir den Mund öffnen und ahhh-sagen, kommen komische Geräusche raus. Stunden später lassen wir den Lake Eyre hinter uns. Irgendwann weicht dem Ah ein Oh, als die Straße schlechter wird und wir langsamer fahren. Flic wird immer bleicher, sagt wieder und wieder „It was the rain.“
Ich sehe auf unseren Routenplaner (wir hätten vor drei Stunden in Williams Creek, unserem Stay, ankommen sollen). Ich lese im Reiseführer: Der Track darf nur bei Tageslicht befahren werden, bei Nacht ist er zu gefährlich, nach Regenfällen ist er gesperrt.
Umkehren ist nicht mehr möglich, dafür sind wir schon zu weit gekommen. Mit 20 kmh am Tacho fahren wir durch den spektakulärsten Sonnenuntergang in die tiefschwarze Nacht. Im Scheinwerferlicht sehen wir nur wenige Meter vom Weg. Ich rede, um Flic von ihrer Angst abzulenken. Sie nimmt meine leeren Worte dankbar an.
Ihr erstes Lächeln seit langem und ein Knall. Flic bremst, krallt ihre Finger ins Lenkrad. Ein Känguru. Erst nach einigen Sekunden fängt sie sich, nimmt ein Messer vom Handschuhfach und verlässt den Bus. Je länger Flic draußen ist, desto unruhiger wird das Gemurmel der Gruppe im Inneren. Die Leute diskutieren über das Töten. Anhand ihrer Kommentare, weiß ich, dass noch keiner von ihnen Leben genommen hat. Ihre in Plastik verpackten Hühnchen sind zu praktisch, um einen Gedanken an deren Herkunft zu verschwenden.
Ich steige aus, kann ihnen nicht zuhören. Die Luft ist klar und kalt, wirkt, bis auf das Röcheln, fast friedlich. Mit verweinten Augen steht Flic über dem Tier. Sie murmelt: “I can’t. This is my first…”
Ruhig nehme ihr das Messer aus der Hand. Ich knie mich über das Känguru, muss den Kopf niederdrücken, weil es zuckt. Das Fell ist borstiger, als ich dachte. Mit einer schnellen Bewegung schneide ich ihm die Kehle durch, sowie es Opa bei den Rehen tat. Ich streiche ihm über den Kopf. Man lässt Tiere nicht leiden, sagte er immer.
Alles ist still und gleichzeitig laut.
Ich nicke aus Respekt, genauso wie Opa früher.
Das warme Blut klebt an meinen kalten Fingern. Mit dem Wasser aus dem Plastiktank wasche ich mich und das Messer. Ich will Seife und Desinfektionsmittel. Beides haben wir vor einigen Stopps aufgebraucht. Flic starrt mich an. Meine Stimme ist fest und klar, reißt sie aus ihrem Stupor: „Let’s continue.“
Djinanginy kaartdijin= sehen und verstehen
© thestorycurator 2021-03-10