Dober večer, sosed

Winnie

von Winnie

Story

Heute freue ich mich richtig aufs Singen!

Dober večer, sosed. Guten Abend, Nachbar. Eine verbindende Feier zum Nationalfeiertag, völkerverbindend. Mein Chor singt drei Lieder, zwei weitere Gruppen gestalten mit, die grüne Landtagsabgeordnete hält eine Rede. Wir singen zwei slowenische und ein deutsches Lied, zwei davon mit modernisierten, schwungvollen Strophen.

Als Kind war ich fest überzeugt, nicht singen zu können. Mein Vater war sehr musikalisch, hatte ein absolutes Gehör. Er leitete jahrelang einen Chor, spielte einige Instrumente und komponierte einige Stücke. Wenn er mit seinen fünf Kindern zu musizieren versuchte – ich muss gestehen, er war dabei im Gegensatz zu seinem sonstigen Wesen sehr ungeduldig – verzweifelte er schnell. Meine Mutter sang selten, hörte zwar gerne Volkslieder, sagte aber oft zu uns Kindern, dass sie leider nicht singen könne.

Nur widerwillig besuchte ich den Klavierunterricht in der nahen Kleinstadt, schwänzte oft und übte nie. Schließlich sahen meine Eltern ein, dass es keinen Sinn hatte, mir die Musik schmackhaft machen zu wollen.

Bestärkt wurde meine Überzeugung, absolut ungeeignet fürs Singen zu sein in den ersten Wochen meiner Gymnasialzeit. Die Musiklehrerin spielte Töne am Klavier, wir sollten einzeln nachsingen. Zu mir meinte sie: Für dich ist das sicher kein Problem, wo dein Vater doch Musik unterrichtet. Noch heute wird mir heiß, wenn ich an das Gelächter der Mitschüler:innen denke, als ich mit hochrotem Kopf leise irgendeinen falschen Ton brummte.

Während meiner weiteren Ausbildung waren die Musikstunden der reinste Horror für mich. Wenn der Professor in die Runde schaute um jemanden von uns aufzurufen, machte ich mich klein oder versteckte mich hinter meiner Sitznachbarin. Das wirkte selbstverständlich wie eine Aufforderung an den gemeinen Kerl, er rief meinen Namen viel zu oft. Es war einfach nur schrecklich, ich hasste ihn.

Nur bei meinen Kindern traute ich mich zu singen. Irgendwann im Laufe der Zeit schlichen sich viele Lieder in meinen Kopf, die wie in Unendlichschleifen ständige Ohrwürmer wurden. Immer öfter kamen und kommen die Lieder auch über meine Lippen, in unbeobachteten Situationen, in der Natur, zuhause, unterwegs, bei Glücks-, Trauer-, sogar bei Wutgefühlen – mit passendem Inhalt. Oder einfach so.

Erst vor wenigen Jahren, ich lernte gerade Slowenisch, meinte eine Freundin, ob wir nicht gemeinsam zum Chor gehen sollten, dort werde nur Slowenisch gesprochen und wir könnten gleichzeitig singen und die Sprache lernen. Sofort war ich begeistert, wir gingen einige Wochen lang gemeinsam zu den Proben. Sie hörte bald auf. Mir gefielen das Singen, die Gemeinschaft und die Idee der Zweisprachigkeit so gut, ich blieb und bin immer noch begeistert.

© Winnie 2021-10-23

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