Attersee, 10. August 2020
Bis zehn Uhr im Bett bleiben, weil man nicht früher aufstehen muss? Nichts für mich – vor allem, wenn die Sonne beim Fenster hereinscheint. Das dachte sich auch meine Freundin, bei deren Familie meine Tochter und ich in einem Ferienhaus am Attersee zu Gast waren. Während die anderen noch schliefen, spazierten wir hinunter zum See. Die hinter dem Schilfgürtel vor Anker liegenden Segelboote boten im morgendlichen Gegenlicht einen malerischen Anblick.
Während ich diesen genoss, säuberte meine Freundin den Steg des Badeplatzes, der zum Ferienhaus gehörte. Auch wenn sie als Benutzerin des Hauses davon profitierte, sah sie den hohen Anteil privater Seegrundstücke kritisch. Am Attersee sind nur 13 Prozent des Ufers öffentlich zugänglich, was mitunter zu einem ziemlichen Gedränge in den Strandbädern führt. Das galt insbesondere im Sommer 2020, weil viele Österreicher ihren Urlaub an heimischen Seen verbrachten. „Es gibt praktisch keine freien Quartiere mehr, der Attersee wird von Touristen gestürmt“, erzählte meine Freundin.
Das merkten wir bei der Wanderung zum „Nixenfall“ bei Weißenbach am Attersee, die auch die Langschläfer beider Familien mitmachten. Auf dem „Generationenweg“ war mehr los als an einem sonnigen Sonntag im Wienerwald im Einzugsbereich eines Ausflugsgasthauses. Und das sogar ohne Einkehrmöglichkeit unterwegs.
Dafür aber mit zahlreichen Erlebnisstationen, die zu verschiedenen Aktivitäten einluden, z. B. zum „Dodlschach“, einem Tic-Tac-Toe, das man mit auf dem Boden aufgelegten Ästen sowie Steinen und Zapfen, die man in den Feldern platziert, spielt. Oder zu Mikado mit Zweigen, zum Balancieren auf einem liegenden Baumstamm und dazu, Wasser auf ein Schaufelrad zu gießen.
Die Erklärung für den Namen des Nixenfalls fand sich auf einer Tafel daneben: Laut Sage schenkte die Nixe Adhara früher den armen Leuten Gold und Edelsteine aus dem See. Allerdings wollten die Reichen alles für sich haben. Sehr zum Missfallen der Nixe, die daraufhin im See verschwand und sich nur mehr selten zeigt. Sieht man es nun im Attersee oder im Wasserfall glitzern, hat man einen Blick auf Adhara erhascht. Ob sich die Nixe auch über die protzigen Villen mit exklusivem Seezugang ärgert, verriet die Tafel nicht.
Auf der Rückfahrt fiel mir das schön geschnitzte Holzschild an einem Haus neben der Straße auf. „Schnaps“ gab es dort zu kaufen. Darüber stand handgeschrieben auf einem improvisiert wirkenden Schild „Desinfektionsmittel 5 €“. Falls es sich dabei um die gleiche Flüssigkeit in unterschiedlichen Flaschen handelte, würde sich der Schaden bei der – von gewissen Personen als Schutz vor Corona empfohlenen – oralen Einnahme des Desinfektionsmittels in Grenzen halten.
Am Nachmittag machten wir eine Wanderung auf den Aussichtsberg Hongar. Dort trafen wir kaum andere Wanderer – kein Wunder, es gab ja keine Erlebnisstationen, sondern „nur“ Natur.
© Zwischen_den_Zeilen 2020-09-27