von Mailin Blum
Es war genau einer dieser Sommertage, die man für immer festhalten und sich an sie klammern wollte, als wären sie ein Rettungsseil, ohne das man hilflos ertrinken würde. Mein Bauch war voller Glücksgefühle und konnte dennoch nicht das fröhliche Pulsieren meines Herzens übertreffen, als ich Amy betrachtete. Der leichte weiße Stoff ihres kurzen Kleides flatterte im Wind um ihre zarte Haut und umspielte ihre Kurven wie ein Liebhaber. Ihr braunes, glänzendes Haar passte sich dem Rhythmus des Tanzes ihrer Kleidung an und wehte wild hin und her. „Du bist so wunderschön“, flüsterte ich leise und doch war es immer noch laut genug für sie. Lächelnd wandte sie ihren Kopf zu mir, sodass ich einen noch besseren Blick auf ihre grünen Augen, in denen sich die Sonnenstrahlen der Nachmittagssonne spiegelten, und winzigen Sommersprossen auf ihren hellrosa Wangen erhaschen konnte. Wir saßen auf unserer Lieblingsbank auf einem größeren Hügel, der ungefähr fünf Meilen von unserem Heimatort Meadow Village gelegen war, und trotzdem konnte man hier der Stadt-Hektik wunderbar entfliehen. Die Bank lag am Hang des Bergs, sodass wir die Beine baumeln lassen konnten, als würde eine Schaukel nur für uns an den Wolken hängen und uns über die Bäume und Wälder dieser Gegend tragen. Ich streckte die Hand aus, um Amy eine verirrte Haarsträhne aus ihrem Gesicht zu streichen. „Ich wünschte, es könnte für immer so bleiben“, raunte sie, während sie ihren Kopf an meine Handfläche schmiegte. Ich wollte gerade noch etwas erwidern als laute, dumpfe Motorengeräusche unsere Stille unterbrachen. „Seit wann dürfen Motorräder hier herauf fahren?“ „Vielleicht dachten sie ein Motorrad wäre die E-Version eines Mountainbikes“, witzelte ich, doch da war es schon zu spät. Amy hatte sich bereits mit runzelnder Stirn umgedreht und als ich sie erneut ansah, stand ihr Mund vor Schreck offen. Ebenfalls fuhr ich auf der Bank herum und sah, was ihr so Angst machte. Zwei schwarz maskierte Personen saßen auf ihren Fahrzeugen vor uns und einer hielt eine Waffe in der Hand, mit der er auf sie zielte. Auf einmal war jede eben noch vorhandene Glücksseligkeit verschwunden. Ich sprang auf und wollte mich vor Amy werfen, aber es ging viel zu schnell. Ein Schuss traf sie in ihren Oberarm, ein zweiter landete daneben, ich hörte Schreie, aber es waren nicht ihre, sondern meine eigenen, als ich sie leblos den Hang des Hügels herunterfallen sah.
Panisch fuhr ich mir zum gefühlt tausendsten Mal durch meine Haare. Seit vier Stunden saß ich nun schon im Wartezimmer der Notaufnahme des Meadow Village Hospitals, ohne Auskunft über Amy zu bekommen. Mein Leben kam mir plötzlich nur noch wie ein schrecklicher Albtraum vor, aber so oft ich mir auch in den Arm kniff, ich erwachte nicht. Die Tür öffnete sich einen Spalt. Sofort sprang ich auf, als ich den Oberarzt erkannte. „Und? Wird sie gesund?“ Seine Miene war so ernst, dass ich das Gefühl hatte, mich gleich übergeben zu müssen. „Ihr geht es gut und sie ist bei Bewusstsein, aber wir dürfen Ihnen leider keine weitere Auskunft über sie geben, da Sie nicht mit ihr verwandt sind.“ Ungläubig schüttelte ich den Kopf. „Ich bin ihr Verlobter!“, schrie ich ihn an, während alle Blicke im Raum nun auf uns gerichtet waren. „Es tut mir leid, Ihnen das mitteilen zu müssen, aber Amy erinnert sich an keinen Verlobten.“
© Mailin Blum 2024-02-22