von Andersdenkerin
Ich sag euch was, wenn ihr wüsstet, was für ein Wirbelwind ich als kleines Kind war. Mein Leben passierte „Draußen“ und, naja, zugegeben, die geschickteste Radfahrerin war ich auch nicht gerade. Es gab so gut wie keinen Sommer ohne zerschundene Knie! Autsch! Fette Narben erinnern mich an so manches kindliche Freiluftabenteuer!
Nach dicken Tränen, Bussis aufs Knie und tröstenden Worten kamen Salbe und ein Pflaster drauf und „alles war wieder gut“!
Obwohl ich mir gar nicht sicher bin, ob es das Pflaster war, das alles wieder gut gemacht hat, oder eher doch die liebevolle Zuwendung meiner Mama, oder meiner geliebten Oma.
Wenn´s heute irgendwo zwickt, oder blutet ist es nicht mehr die Mama, die „alles wieder gut“ macht, sondern der Arzt, Therapeut, Masseur, oder sonstiger „Heiler“ unseres Vertrauens. Irgendwer findet sich schon, der uns „ein Pflaster“ draufmacht! Unsere Wehwehchen werden bedauert, und es wird uns auf die Schulter geklopft mit den Worten „das wird schon wieder“!
Unsere körperlichen Wunden und Verletzungen bekommen gebührende Zuwendung und Aufmerksamkeit.
Was ist aber mit unseren seelischen und emotionalen Wunden?
Wieviel Aufmerksamkeit bekommen die? Die siehst du nicht auf den ersten Blick! Jemandem mit einem Gipsbein tröstende Worte und Zuspruch zu spenden fällt uns relativ leicht, weil der Schmerz und das Drama offensichtlich sind.
Was ist aber mit den messerscharfen Worten, die tiefe Einstiche und hässliche Narben in unserem Inneren hinterlassen haben? Was ist mit dem Liebesentzug, den wir als Kind vielleicht erfahren haben, nur weil wir gerade nicht so funktionierten, wie unsere Eltern das von uns erwartet haben? Was ist mit den Abwertungen, weil die Note nicht die gewünschte war? Was ist mit den Zurückweisungen, und den Momenten, in denen wir uns einfach unverstanden gefühlt haben, oder immer noch fühlen?
Was ist mit den Schmerzen, die wir tagtäglich in unseren zwischenmenschlichen Beziehungen erfahren? Was ist damit?
Wir sprechen oft gar nicht drüber, weil wir vielleicht sogar der Meinung sind, dass wir das alles verdient haben – der Überzeugung sind, dass mit uns irgendetwas falsch ist. Wir schämen uns dafür, „so empfindlich“ zu sein. Wir fühlen uns hilf- und machtlos. Wir verdrängen ihn, den Schmerz, ganz tief in unserer Seele, in der Hoffnung, dass er schon irgendwann von selbst vergeht. Irgendwie müssen wir damit allein klarkommen.
NEIN – müssen wir nicht!
Auch diese Wunden kenne ich nur zu gut – nicht nur meine zerschundenen Knie! Und ich möchte gar nicht behaupten, dass ich nicht selbst auch Wunden und Narben zugefügt habe.
Unser Leben ist zum Glück sehr konsequent und schenkt uns immer wieder Menschen und Begegnungen, die genau diese Wunden und Narben triggern. Solange, bis die Wunden geheilt sind.
Auch diese Wunden, Verletzungen und Narben brauchen Aufmerksamkeit. Sie brauchen Zuwendungen, sie brauchen „Seelenbalsam“ damit auch sie heilen können.
Dort hält nämlich kein Pflaster!
© Andersdenkerin 2020-02-03