Dr. Google

Berit Glaser

von Berit Glaser

Story

Jetzt muss ich so vorm Einschlafen an meinen Gynäkologen denken. Das is nicht was, was ich eigentlich mach. Vermutlich, weil ich grad zur Kontrolle war bei ihm. Was mir jetzt jedenfalls einfällt, das mir aufgefallen ist: Je älter ich werd, desto jünger kommt mir der vor. Wir kennen uns jetzt auch schon über 10 Jahre nämlich. Das merkt man nur nicht, weil man den ja ohne Schwangerschaft oder Schlimmerem nur so zweimal alle anderthalb Jahre trifft plusminus. Und wenns mir schon so geht, wo er ja mein einziger Frauenarzt ist, bei ihm natürlich zum Quadrat. Drum würd ich das auch nicht mit ihm besprechen, also meine Wahrnehmung zu seinem Alterungsprozesses. Wär zu schräg irgendwie.

Witzig eigentlich, dass ich da mit gespreitzten Beinen vor ihm sitze und er mir diverse Gerätschaften einführt, ist dafür völlig normal. Also is es ja auch zum Glück. Oder hoffentlich, mir wär jetzt fix nicht geholfen, wenn ich das Gefühl hätt, er findet die Situation schräg. Ich also auch nicht und doch überleg ich, welches Gelaber da jetzt passend sein könnt, während er in mir herumwerkelt. Weil das muss schon von mir kommen, fühl ich. Er muss ja was arbeiten, sich konzentrieren und für ihn noch schwieriger, da unverfänglich zu starten.

So ein ganz normales Gesprächsthema fällt mir immer nie ein. Vielleicht, weil ich selten zum Friseur geh oder mir die Nägel machen lass oder so. Leute, die sich viele solche Dienstleistungen holen, sind da bestimmt abgebrühter. Da macht der eine seine Arbeit und der andere lässt arbeiten und liest oder denkt nach oder spielt Handy. In Wahrheit ist das wohl auch dem Arbeitenden am liebsten. Weil das kann man sich ja vorstellen, wie der frisierende Mensch sich freut, wenn zumindest einer von wasweißich elf zu Frisierenden kurz einmal die Pappen hält. Also beim Friseur easy, da sag ich „ich würd jetzt mein Buch lesen, aber ich bin da, falls Sie reden wollen“.

Gynäkologe ganz andere Geschichte. Das dauert nämlich üblicherweise nur so ein paar Minuten, sprich übertrieben, überhaupt ein Buch auf den Stuhl mitzunehmen. Fieberhaft überleg ich also, ob mir nicht was Passendes einfällt. Aber nein. Eher so, „schön haben Sie‘s hier“, völlig vertrottelt. „Gesegnet ist, wer nichts zu sagen hat und trotzdem schweigt“, sag ich mir dann leise und laut nix und schau stattdessen ganz interessiert auf den Monitor, auf dem ich eh nie was erkenn.

Aber Hauptsache jetzt, wo ich da im Bett lieg unds zu spät is, kommen sie daher, die brennende Fragen, die zumindest halbwegs zu seinem Beruf passen würden. Was das Ärgste, das er je gesehen hat, wenn der da mit dieser Zange aufmacht zB oder doch medizinischer, ob ein Muschipilz so Sporen hat wie ein echter Pilz, sowas alles. Klar, das könnt man jetzt googeln und vielleicht wär das weniger peinlich, aber schon irgendwie langweiliger auch. Ich nehm mir das mal vor für den nächsten Kontrolltermin. Und wenn ich dann in 8-10 Monaten wieder alles vergessen hab, dann frag ich Dr.Google zumindest das mit dem Schwammerl.

© Berit Glaser 2021-01-10

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