Drachenfrau

Katja Horvath

von Katja Horvath

Story

Ich erzähle dir jetzt eine Geschichte. Von einer Drachin, die ihre Heimat verlor. Sie war keine gewöhnliche Drachin, wie wir sie uns vorstellen. Sie konnte sich ausdehnen, so weit & groß, wie die Welt. Doch das tat sie nicht oft. Je größer & weiter sie sich ausdehnte, desto weniger dicht wurde ihre Essenz. Und sie wollte die kleinen Partikel & Atome & Elemente, die sie dann war, nicht verlieren & umherschwirren lassen, da sie fürchtete, dass sie alle erst wieder sammeln müsste, würde sie sich über die Grenzen der Welt hinaus dehnen. Würde sie sich über die Welt erstrecken. Immerhin, so dachte sie, hat die Welt auch ein Recht, ohne sie, sich auszudrücken, ohne, dass sie sich darüber legt & einhüllt, was, im Grunde, nur sich selbst gehört.

Natürlich, wusste die Drachin, dass die Welt nur Spiegel ihrer Selbst war& wusste daher auch, dass sie sich in vielen Formen entfalten wollte. Als die Drachin eines Tages aus einem Tagtraum erwachte &sich am Meer wiederfand, da überlegte sie, ob jener Tagtraum nicht schöner & aufregender wäre, als das Einzige, endlose Meer, das immer gleich zu bleiben schien.

Sie wusste nicht so recht… da gab es Menschen. Was auch immer dies für Kreaturen waren. Herrliche Geschöpfe, doch mit riskanter Kraft. Riskant, weil sie spürte, dass jener Tagtraum viel mehr Aufregung & Abenteuer in sich trug, als sie sich zu erträumen wagte. Aber die Drachin war neugierig. Und ihr war langweilig. Und sie wusste, dass da in sich selber noch ein Leben war. Und dies Leben war sie. Und dies Leben wollte entfaltet werden. Sie wollte es entfalten.

Darum träumte sie & wachte auf. Als Mensch, der sie einmal war & werden würde. Als ein Mensch, der sich fragte, wie es wohl wäre eine Drachin zu sein. Als ein Mensch, der sich fragte, was es heißt, sich selbst zu ent-decken.

Und nun mehr ist die Drachin sich selbst überlassen. Ob sie nun weiß, dass sie sich als Mensch zur Drachin träumt. Ob sie nun weiß, was ihre Heimat ist. Denn sie fragt sich als Mensch, ob sie Drachenkraft wahrhaftig in sich trägt – ob es Drachen überhaupt geben kann – ob sie würdig ist diese Kraft zu leben.

Als die Drachin sich als Mensch auf die Suche macht, hat sie vergessen, schon längst, wie sie überhaupt auf die Erde kam. Bereits als Drachin schon, war ihr dies kaum mehr bewusst. Als Mensch, jedoch, begann sie Spuren zu finden, die sie darauf brachte, was sie einst bereits wusste. Und nicht der Mensch, aber die Drachin begann sich zu erinnern. Wo der Mensch bloß Werkzeug war, um an die Erinnerung zu gelangen.

Und als die Drachin immer mehr in sich erwachte, begann sie das Mensch-sein so zu lieben, dass sie es dazu nutzte, die Drachenkraft zu den Menschen zu bringen. Um den Menschen ein Werkzeug zu geben, damit sie in sich selbst erwachen. So bilden die Menschen & die Drachen eine 8! Zwei Kreise, die, verbunden miteinander, sich gegenseitig stützen, bedingen & helfen.

© Katja Horvath 2023-01-31