Dreh dich nicht um

WANABE

von WANABE

Story

Als ich die Augen öffne, strahlt mir ein herrlicher Sommertag entgegen. Dennoch fühle ich dieses flaue Gefühl im Magen, das so gar nichts mit Hunger zu tun hat. Wie jedes Jahr würde ich mich auch heuer wieder für einen Monat von meinem mittlerweile 5-jährigen Sohn verabschieden.

9 Wochen Sommerferien sind für eine alleinerziehende, vollzeitarbeitende Mutter eine organisatorische Herausforderung. Die jährliche Einladung meiner Schwiegermutter, Christian für einen Monat zu sich nach Irland zu holen, war daher ein willkommenes Geschenk. Qualitätszeit mit Oma – im Garten toben, mit einem viel zu großen Fahrrad am Weg herumfahren, Brot backen, bei der Gartenarbeit helfen und vieles mehr.

Zurück blieb: Ich! – die nun einen sorglosen Alltag haben würde. Zeitig ins Büro fahren, ohne Rücksicht auf Kindergartenöffnungszeiten, kein Blick auf die Uhr am Abend, kein schweißtreibender Sprint zur Strassenbahn… Aber es bedeutete auch, einen strahlenden, singenden Sohn der schon morgens gute Laune versprüht, zu vermissen. Kein Entgegenlaufen beim Abholen mit heftiger Umarmung und der Frage „Was werden wir heute wohl essen?“

Ich würde heimkommen, einsam den Garten gießen, die reifen Paradeiser ernten und dabei nicht raten müssen, wie viele es denn heute wären. Am Telefon würde ich seine aufgeregte Stimme hören und mich darüber freuen, dass es ihm so gut gefällt und, dass Oma sooo lieb ist. All dies ging mir durch den Kopf und war der Grund für das eigenartige Bauchgefühl.

Aber ich war erwachsen und wollte auf keinen Fall, dass mein Sohn spürte, wie schwer mir der Abschied fiel und vielleicht damit riskieren, dass er mich mit traurigen Augen ansah oder gar zu weinen beginnen würde. Als er „Dornröschen war ein schönes Kind“ singend die Schlafzimmertüre öffnete und mich seine großen, braunen Augen anstrahlten, musste ich übers ganze Gesicht grinsen. Stressfrei frühstücken wir, verladen den Koffer ins Auto und fahren Richtung Flughafen.

Die bevorstehenden Geschichten werden mir kichernd in den Nacken geplaudert. „….und wie die dann alle schauen, wenn ICH nach vorne gebracht werde an der Hand der Stewardess. Wer würde nicht gerne all diese tollen Anzeigen sehen und mit dem Piloten reden………“ Es sprudelt weiter und weiter „Weißt ja die Oma ist immer nervös bis sie mich im Arm hält, sagt sie immer….“

Nachdem wir den Koffer abgegeben haben, kommt ein junger Flugbegleiter auf uns zu und sagt, dass er meinen Sohn jetzt zum Flugzeug begleiten wird. Christian umarmt mich, küsst mich schnell und sagt „Bis bald Mama“. Ich sehe ihm mit Tränen in den Augen nach, wie er mit seinem kleinen Rucksack davon marschiert – in sein nächstes Abenteuer.

Als er letztes Mal nach einem Monat zurückkam, hab ich ihn gefragt, warum er nie traurig ist beim Abschied und er meinte „Ganz einfach Mama – man darf sich auf keinen Fall umdrehen – immer nach vorne schauen.“

© WANABE 2019-10-27

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