Drehen Sie sich nicht um Frau Lot…

Dotti-on-the-road

von Dotti-on-the-road

Story

…oder eine Ehe in Zeiten des kalten Krieges.

Ungefähr 4 Jahre ist es her. Ich sitze in einem recht langweiligen Vortrag über Immobilienbesteuerung als mein Handy vibrierte. Mele rief sonst nie um diese Uhrzeit an und ich war einigermaßen gespannt was sie zu erzählen hatte.

„Hör mal“, sagte sie, „eigentlich war es ganz anders geplant, aber es fühlt sich nicht richtig an ohne meine drei besten Freundinnen zu heiraten. Wenn es sich noch ausgeht hätte ich euch gerne dabei!“

Natürlich ging es sich aus, außerdem hatte ich schon lange auf keiner Hochzeit mehr getanzt. So ab fünfzig, werden derlei Anlässe auch eher selten. Es schien ein perfektes Match zu sein. Beide hatten ihre Partner aufgrund einer Krankheit verloren. Die Kinder waren erwachsen und bereits aus dem Haus.

Mele war zögerlich dabei sich nach möglichen beruflichen Perspektiven umzusehen, als er sie wissen lies, dass er sich eine Vollzeitehefrau wünschte. Er konnte es sich gut leisten und sie nahm dankbar an.

Der Himmel hing voller Geigen. Vorerst. Nach zwei Jahren zeigte das Bild erste kleine, feine Krakelees. Nach und nach wurden daraus schier unüberbrückbare Gräben. Er dachte er hätte eine Vollzeithaushälterin gebucht, die zweimal täglich für ihn kocht, Haus und Garten in Schuss hält und ihm sonst noch jeden anderen Wunsch von den Augen ablesen würde. Sie sah sich absolut nicht in dieser Rolle, wollte endlich das Leben genießen, reisen und spontan schöne Dinge erleben. Einem alternden Mann beim Fernsehen zuzusehen und seine Antiquitäten abzustauben war nicht ihr Plan gewesen.

Ihren Wohnsitz hatte sie nicht aufgegeben. Mehr und mehr zog sie sich dorthin zurück und lies den Mann auf seinem Schmutzwäscheberg sitzen. Er schmollte, und wenn er einsam und verzweifelt genug war kam er sie besuchen und sie kochte ihm was. Wenn ihr Gewissen sie zu sehr drückte schaute sie bei ihm vorbei, beaufsichtigte seine Putzfrau und winkte den Nachbarn. „Keeping up Appearances“ war seine Devise.

Vor einigen Wochen passierte es dann. Zufällig stand sie neben seinem Handy als kurz eine Whatsapp Nachricht aufpoppte, bevor der Bildschirm wieder schwarz wurde. Für einige Sekunden stand da: ich liebe dich.

Der von ihr engagierte Detektiv machte schöne Fotos. Erst händchenhaltend in einem Restaurant, dann noch einige in einem weit intimeren Rahmen. Der gute Mann hat noch keine Ahnung von der Lawine, die auf ihn zurollt. Ihr Anwalt sagt die Sache muss strategisch angegangen werden wenn für sie auch ordentlich Schmerzensgeld rausschauen soll.

Seit ihr künftiger Ex-Mann das aufkommende Ungemach irgendwie wittert, arbeitet er mit allen Mitteln an einer Versöhnung. Allerdings hält es ihn nicht davon ab weiterhin die andere Dame zu besuchen. Von den schönen Fotos ahnt er nichts.

Täglich oszilliert Mele nun zwischen blankem Hass und dem Wunsch seinen Versöhnungsversuchen nachzugeben. Welche Qual!

„Schau nach vorn, dreh dich nicht um!“ Denk dran wie es Frau Lot ergangen ist!

© Dotti-on-the-road 2020-03-22

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