Im Schatten großer Bäume: Im Schatten großer Bäume will ich sein. Ein Leben lang. Eingehüllt in das Rauschen der Bäume, den Frieden unter ihnen. Das Glitzern der Blätter im Sonnenlicht, wenn sie im Wind tanzen. Das Spiel von Licht auf dem Boden, Schattenspiel in meinem Gesicht. Im Schatten großer, hoher Bäume will ich sein, ein Leben lang, die Bücher dieser Welt in den Händen halten, derweilen der Wind in ihnen blättert. Gelehnt an den hohen Stamm und im Geiste auf Reisen gehen. Still vergessen das Leben träumen. Der Moment währte ein Leben lang. Im Schatten großer, hoher, alter Bäume bettet mich zur stillen, ewigen Ruh. Mein Grab läge im Lichterspiel der Bäume, eingehüllt ins Schattenrauschen, gebettet in den Frieden unter ihnen und ich träumte immer noch, für immer im Schatten großer, hoher, alter Bäume.
Sommerblau: Blau, so herrlich blau, endlich blau. Der Himmel ist so blau, so unendlich blau. So weit, frei – von hier bis in die Unendlichkeit nur ein paar Wolkenschlieren. Von Sonnenlicht beglänzt, rosa gefärbt. Ich schließe die Augen, das Sonnenlicht im Gesicht. Ich möchte hinaufsteigen, hinauf auf die Telefonmasten. Von dort stoße ich mich ab und falle hinein in den Himmel. Mein Badetuch lege ich auf den Wolkenschlieren ab und ich trage eine schicke Badekappe und einen Zwanzig-Jahre-Bikini. Ich werde gegen das Sonnenlicht die Augen schließen und mich hineinfallen lassen, hinein in den Himmelspool, schweben durch das herrliche kühle Blau. So herrlich blau, endlich blau, so unendlich blau. Dann werde ich auf den Wolken sitzen und warten, bis meine Haut getrocknet ist, im goldenen Sonnenlicht, und hineinsehen in das Blau, endlich blau, unendlich blau, und mir Wolkenschlösser bauen.
In der Wohnung meines Nachbarn: In der Wohnung meines Nachbarn wohnt der Mond. Ich habe ihn durch das Fenster mit den blauen Vorhängen an der Seite gesehen. Er strahlte sanft durch das Glas, wie eine helle runde Laterne. Direkt über dem Esstisch, fast wie eine Lampe. Die Wohnung liegt direkt gegenüber. Ich sehe oft hinüber und dann sehe ich manchmal, wie der Mond durch die Fensterscheiben scheint, und bin froh, dass der Mond zu Hause ist. Von einem offenen Himmel, blass vom Licht der Stadt, über den Flugzeuge fliegen, dessen Stille durch laute Musik verschwindet. In der Stadt, in der die Nacht zum Tag wird, hat der alte Mond sich zurückgezogen und er wohnt nun in der leeren Wohnung meines Nachbarn. Ich kann’s mir direkt vorstellen, die Szene, wenn der Mann nach Hause kommt: Er legt in der dunklen Wohnung den Schalter für den Mond um und sagt zu Begrüßung: Hey Mond. Sonst ist es dort ganz still. Vielleicht bis auf das Ticken einer Uhr, in einer teppichstillen Wohnung. Ich habe noch nie etwas von dort drüben gehört, aus der Wohnung mit dem Mann und dem Mond. Ich schau nur manchmal hinüber und bin froh, wenn ich das Licht durch das Glas scheinen sehe, wenn der Mond zu Hause ist.
© Michelle Reznicek 2022-06-24