von MISERANDVS
Ich bin kein abergläubischer Mensch. Ich bin ein Mann des Verstands, der Ratio, und gelegentlich – wenn mich der Hafer sticht – ein Mensch der Muse und der Schreibkunst, der Musik. Aber, wie gesagt, für Aberglauben hab ich nichts übrig. Wer glaubt schon an so einen Scheiß? Mal ehrlich!
Gut, vor Neujahr nehm ich alle Wäsche ab, die hängt. Denn man sagt, wenn man Wäsche in der Neujahrsnacht hängen hätte, käme der Tod im Jahr darauf und hole sich einen aus der Familie weg. Ich find die Menschen in meiner Familie ganz nett, und darum… besser nix riskieren. Aber sonst…
Naja, ok, wenn man es genau nimmt: Wenn mir beim Kochen der Becher mit dem Salz umkippt, dann nehm ich auch zwei Finger voll vom verstreuten Salz und werf es mir über die Schulter. Aber auch mehr so aus Faulheit, wie ich immer sage, weil Über-die-Schulter-Werfen weniger aufwändig ist, als einen feuchten Lappen zu holen und die Körnchen wegzuwischen. Aber sonst ist wirklich nix, was man mir als Aberglauben auslegen könnte.
Määäh, wobei: Wenn ich ein Los kaufe, dann spucke ich schon auch dreimal drauf, sage “Toi! Toi! Toi!”, bevor ich es aufreiße. Früher musste das mein Trafikant machen, aber in Zeiten von Corona… Wer weiß, wo der Seuchenvogel vorher war! Aber damit hat es sich dann wirklich.
Ja, gut, als meine Kollegin meint: “Ach, du hast ja bald Geburtstag, da will ich dir schon vorab…”, unterbreche ich sie schon lautstark und sage: “Hältst du wohl die Klappe! Vor dem Geburtstag zu gratulieren, bringt Unglück!” Aber sonst wüsste ich nun wirklich nichts mehr, was in Richtung Aberglauben ginge.
Abgesehen vielleicht von rothaarigen Frauen. Die meide ich auch. Nicht, weil mir so eine fesche Füchsin nicht gefallen würde! Aber Oma hat immer gemeint, Rothaarige – vor allem die mit Sommersprossen – das wären hinterliste Weiber. Hexen, wie Oma sie unverblümt nannte. Und wer will schon eine Hexe in seinem Leben haben! Aber damit ist auch die Liste voll.
Außer, … Wenn ich einen Schornsteinfeger seh. Dann frag ich den schon, ob ich an seinem Jackenknopf drehen darf und steck ihm einen Schein zu, wenn er es erlaubt. Daran ist aber Mutti schuld. Die hat mir eingeredet, das brächte Glück. Mehr gibt’s aber wirklich nimmer, was Aberglauben sein könnte in meinem Leben.
Dass ich an Silvester unleidlich bin, wenn ich nicht Beleigießen kann und somit nicht weiß, was das neue Jahr bringt, dass ich mir keine Sparbüchsen schenken lass, in dem nicht wenigstens eine Münze klimpert oder ein Schein raschelt, dass ich schwarze Katzen mit “Kscht! Kscht!” verscheuche, wenn sie mir über den Weg laufen wollen, ich nicht unter Leitern durchlaufe, keine Blumen aus dem Krankenhaus mitnehme und mir beim Gähnen die Hand vor den Mund halte, damit mir nicht der Teufel in den Leib fahren kann, ist doch wohl auch mehr Tradition und Benimm als Aberglauben.
Selbst Freitag der 13. lässt mich völlig kalt. Da nehm ich mir nämlich frei und sperr mich zuhause ein. Da sind mir nämlich zu viele abergläubische Verrückte unterwegs…
© MISERANDVS 2021-12-22