Ich stand unter einer Dusche. Versteckte ich mich vor jemandem? Ich spähte durch den Duschvorhang und sah, dass er zu einer Kabine mit der Nummer 102 gehörte. Ich erinnerte mich daran, dass ich mich auf einer Fähre Richtung Italien befand. Durch das Bullauge sah ich, dass es Nacht war. Alle anderen schliefen wohl schon, also verliess ich meine Kabine, um das Schiff zu erkunden. Ich wusste, dass es hier eine Spielhalle gab also suchte ich danach. Ich war mir sicher, dass die nächste Abzweigung links der richtige Weg war. Doch irgendwie landete ich draussen neben dem Schornstein wo ich von einer Rauchwolke erfasst wurde. Der Gegenwind war so stark, dass ich wie ein Blatt Papier fortgeblasen wurde. Ich versuchte mit allen Mitteln, gegen die Windströmung zu schwimmen, doch es war sinnlos. Die Fähre verschwand aus meinem Blickfeld, bis nur noch das dunkle Meer zu sehen war. Ich flog, doch wo bleibt der Spass, wenn ich die Richtung nicht steuern konnte? Dann sah ich Tausende von kleinen Lichtern am Horizont und die schwarzen Bauten wurden erkennbar. Der Wind liess nach, als ich die Küste erreichte und ich machte eine sichere Landung. Der Wind mag vielleicht gute Absichten gehabt haben, doch nun war ich wieder allein. Ich betrat einen der vielen Wolkenkratzer und fuhr mit dem Aufzug in den obersten Stock. Die Aussicht war trostlos. Dann öffnete jemand eine Tür und der erste Mensch, den ich seit langem gesehen hatte, stand vor mir. Doch bevor ich ihm meine Aufmerksamkeit schenken konnte, sah ich, wie eine grosse Horde weisser Mäuse durch die leeren Strassen stürmte. Sobald die Horde weg war, sah ich mir den Mann wieder an. Er stand wie erstarrt da. Dann sah ich, wie ein rotäugiger Bienendämon durch sein Ohr in seinen Körper eindrang. Ich konnte seine Innereien sehen wie bei einem Röntgenbild und auch wie der Bienendämon in Richtung Magen flog. Als dieser sein Ziel erreichte, stahl er seine Ernährung und liess ihn in einem hungernden Zustand zurück. Sie brachte die Nahrung zu ihrer Königin; jeder hatte ihr willenlos zu gehorchen. Jede Form von Trotz wurde bestraft, wie ich so gleich mitbekommen sollte. Der Mann rebellierte in Gedanken und verwandelte sich daraufhin in eine Maus. Die Maus huschte davon und ich folgte ihr, denn ich musste einfach wissen, wohin sie ging. Sie verschwand in einem Mauseloch, doch ich lief einfach durch die Wand hindurch. Wir erreichten eine feuchte Höhle, die der Untergrund der Stadt zu sein schien. Hier hatten sich alle Mäuse versammelt. Ein Lichtstrahl schien aus einem Spalt. Darunter sass ein Mädchen, das ich noch nie zuvor gesehen habe. Die Mäuse verehrten sie. Sie sah aus als käme sie aus Mu. Hübsche Hibiskusblüten schmückten ihr kastanienbraunes Haar, doch ihre Augen blieben geschlossen. Ihre liebevollen Eltern gesellten sich neben ihr. Zu ihrer Linken lauerten drei Tiere: ein Löwenmensch, ein kleiner Wal und ein Kaiserpinguin. Zu ihrer Rechten standen die drei edlen Ritter; sie waren gutmütige Possenreisser, die Grimassen schnitten. Das Mädchen hielt eine Predigt. Ich verstand, dass sie einst gestorben war. Ihre Eltern weinten leise als sie das erwähnte. In ihrem früheren Leben wurde sie ermordet. Ihre Tiere konnten das nicht verhindern. Deshalb wurden die Ritter gerufen, um ihrem wiedergeborenen Ich zu helfen. Aber wer war es? Die Bienendämonen? Ich konnte den Rest ihrer Worte nicht mehr hören. Ich wollte so gerne mit ihr reden – sie fragen, was ich tun sollte. Sie schien weit weg zu sein. Das Bild wurde unscharf. Es schmolz dahin.
© Philemon Niedermann 2024-09-04