DSST – 7. Schwarze Löcher

Hera Mayland

von Hera Mayland

Story

„Die Sterne sind tot“, schreibt er Alvin in der Nacht, sein Bildschirm glüht kalt neonblau in der Dunkelheit. Es kreisen zu viele Gedanken in seinem Kopf. Zu viele, um sie zu kontrollieren, eine Galaxie aus Millionen Sternen die irgendwie alle miteinander verknüpft sind, und gleichzeitig entfernter nicht sein könnten. Es war noch nicht richtig.

„Sie sind so weit weg, dass wir sie noch lange nach ihrem Tod leuchten sehen. Aber es gibt sie schon lange nicht mehr, dort ist gar nichts, nur schwarze Löcher. Sie verschlingen alles. Das Universum ist leer, aber wir tun so als wäre es randvoll, nur um uns ein bisschen weniger einsam zu fühlen. Aber es gibt nichts. Nur die Illusion von Licht, das gar nicht wirklich existiert.“

Er sendet die Nachricht und lässt sich zurück auf die Matratze fallen. Elias kann die Sterne nicht sehen. Nur Dunkelheit ist noch übrig, ohne das leuchtende Blau seines Handys. Als es zurückkehrt, und Licht erneut den Raum erfüllt und die Dunkelheit vertreibt, bringt es Reue mit sich. Das hätte er nicht tun sollen. Gedanken, die er selbst kaum greifen und noch weniger in Worte fassen kann, sollten nicht gesprochen werden.

„Was“, zeigt die Nachricht, und tanzende Punkte, hoch und runter. Er sperrt das Handy. „Worüber redest du eigentlich, es ist drei Uhr morgens und ich will mich gerade echt nicht um deinen Mist kümmern. Oder jemals wieder“, erwartet er. Der Bildschirm leuchtet wieder auf, aber Elias will es nicht sehen. Der verdrehte Teil von ihm, der sich an der Angst, der Reue und dem rasenden Puls erfreut, entsperrt das Handy.

„Du hast es ganz falsch verstanden!!!“, steht da. Punkte. Elias klammert sich an das Handy und sein Licht in der Dunkelheit. Es ist wie Luft zum Atmen, ein Anker. Er wird noch nicht vom dunklen Nichts des Universums verschlungen. Vielleicht kann selbst Elias noch Licht sehen. Er ist noch nicht zu tief, zu weit, zu entfernt. Hat er das verdient?

„Sie leuchten doch noch!! Und noch nicht alle sind gestorben, auf wissenschaftlicher Ebene, aber solange sie noch so leuchten, dass wir sie sehen können, sind sie für uns da! Und wenn sie nur ein bisschen da sind, dann sind sie immer noch von Bedeutung für die Seefahrer früher oder Astronauten, und selbst für uns, denn sie führen uns noch durch die Welt“, sagt Alvin. Elias schließt seine Augen und stellt sich die tanzenden Punkte als Sterne im Nachthimmel vor. Leicht, ganz leicht glühen die Sternüberreste noch. Er sieht sie. Wie hell sie wohl gewesen sind, strahlend in der Dunkelheit.

„Falls das zumindest irgendwie Sinn ergibt… Es ist ganz schön kitschig, ich weiß“, blinkt auf. Das blaue Licht ist gerade hell genug, dass man das Lächeln auf seinen Lippen sehen kann. Und er kann gar nichts dagegen tun. „Furchtbar kitschig“, schreibt er.

„Sei nicht so gemein!!! Schlaf gut, Elias“. Er schaltet sein Handy aus. Es ist dunkel in seinem Zimmer, also schließt Elias die Augen und sieht Sterne.

© Hera Mayland 2022-08-15