von Erdim Özdemir
,,Du hast etwas Besseres verdient.“
Es sind nur fünf Wörter – jedoch verirren sich vierundsechsundzwanzig laute Wörter in meinem Gehörgang. Wir sind nicht nur umgeben von bloßen Vokalen und Konsonanten, sondern von all den Menschen, die in der Menge die Songtexte aus den Boxen grölen.
Ich habe etwas Besseres verdient? Hinter den Tränen erhasche ich nur noch einen kleinen Blick von dem Blau deiner Augen. Es war wild in der Ruhe – wie sich anbahnende Wellen bei Windstille auf dem Meer. Es war ruhig in der Wildheit – wie die Tiefen des Meeres kurz vor einem Sturm.Jemand Besseren als dich, sie oder ihn. Mittlerweile breitet sich nur Schwarz in meinem Sichtfeld aus und im Raum steigen die Temperaturen um vier Grad – so fest und so nah, wie wir gerade in dieser Umarmung umschlungen sind.Das ist doch unfair, denke ich mir. Wieso errichtest du mir ein Gefängnis auf der Party, wieso verbarrikadierst du mich mit diesen Wörtern, wieso nicht, wenn wir nicht alleine sind? Natürlich ist die Antwort so kristallklar – wie jede einzelne Träne, die aus der ruhigen Wildheit deiner Augen tropft. Hier kann ich deinen Wörtern nicht entkommen. Umgeben von all diesen Menschen bin ich in diesem Alcatraz, aus dem ich nicht ausbrechen kann. Manieren und Benehmen – ich könne nun keine Show abziehen. Schließlich war es nicht meine Feier.
In einem anderen Leben, antwortete ich dir, wären wir aneinander das Bessere. Das stimmt wohl. Dann würden wir uns in der Distanz stets darum bemühen, uns anzunähern. Nicht wie jetzt, wenn uns nur die Möglichkeiten verschafft wurden, uns aus aus der Nähe zu distanzieren. Vom Nord- und Südpol riefen wir uns stets zu. Wie Magneten stießen wir uns so stark ab, wie wir uns auch anziehen konnten.Ja, du hast recht damit. Ich verdiene etwas Anderes. Und du erst recht. Wir verdienen weder Distanz noch Ruhe, weder Wildheit noch Ruhe, weder Hin noch Her. Wir verdienen, füreinander da zu sein. Und nicht lediglich zu denken, dass wir es wären, wenn wir uns von zwei Hemisphären nur betrachten, aber nie nach uns sehnen.Unsere Umarmung löst sich und damit auch jegliche Vorstellungen, Kompromisse und falsche Gefühle in echten Momenten. Schon vor der Feier, all die Zeit davor, waren wir gefangen.Damals an Silvester, erinnere ich mich, schrieb ich auf einen kleinen Zettel meinen Wunsch auf, mit dir gemeinsam zu sein. Das Zettelchen wickelte ich mit einer Kordel um die Rakete und schoss sie in den Himmel. Anstelle dass der Wunsch letztlich doch wahr wurde, verbrannte er doch am Ende. Im Trubel der Farben sah ich unser Schwarz-Weiß nicht.
Also gut, sagte ich. Wir verdienen etwas Besseres. Besser als du, ich, sie und er.
Aber manchmal, da wünsche ich mir nichts Besseres. Ich verdiene nichts Besseres. Sondern einfach nur mal etwas Gutes. Keine Komparative, keine Superlative. Ich verdiene etwas Gutes und das genügt mir.
Die Tanzfläche ruft, während all die Gitterstäbe um uns herum im Boden verschwinden.
© Erdim Özdemir 2021-12-16