von Elena Döhner
Noch lange, nachdem die Sonne hinter dem Horizont verschwunden ist und die Dunkelheit hereinbricht, wie ein ungebetener Gast, spürt Yuwon das leichte Brennen auf ihrer Haut, wie nach einem Salzbad oder wenn man als Kind einen dieser sauren Lollys gelutscht hatte, der die Zunge ganz rau und kratzig hinterlässt. Still verpacken sie den Proviant und die Picknickdecke in ihren Rucksäcken und stapfen durch den abgekühlten Sand zur Strandpromenade. Und sie schweigen noch immer, als sie die Straße erreichen. Und ohne Worte finden ihre Hände zueinander. Narae bricht als erste das Schweigen. „Yuwon-ah, ich werde in der kommenden Zeit nicht mehr so viel Zeit für Unternehmungen haben, da die Prüfungen anstehen. Ich will, dass du das weißt und es nicht auf dich beziehst. Wenn es nach mir ginge, würde ich jede freie Minute mit dir verbringen, aber meine Eltern, du weißt …“ Sie verstummt, doch Yuwon nickt ihr ermunternd zu. „Ich weiß“, seufzt sie verständnisvoll. „Aber bald habe ich Geburtstag und ich wollte dich fragen, ob wir ihn zusammen verbringen können. Nur wenn du magst natürlich.“ „Ich mag, natürlich.“ Yuwons Augen glänzen förmlich vor Freude, als sie das sagt. Das Laternenlicht spiegelt sich in ihren Augen. Das Lächeln, dass ihr in Naraes Augen wie das Gegenüber in einem Spiegelbild begegnet, erinnert sie an etwas. „Ach ja, ich habe Shokos Lächeln zu Ende gelesen. Und ich weiß jetzt, was du mir sagen wolltest …“. Narae nickt nur, denn manchmal braucht es keine Worte, um zu verstehen.
Auf dem Weg nach Hause pfeift Yuwon ein leises Lied. Auf dem Weg nach Hause lächelt jeder Baum sie an. Auf dem Weg nach Hause stellt Yuwon sich vor, sie sei ein Schmetterling – so muss es sich anfühlen. Wie Sommerregen, wie frisches Zitroneneis, wie grünes Licht auf dem Nachhauseweg, wie Hitzefrei, wie plötzlich Flügel bekommen, die dir das Gefühl geben, jeden Moment abheben zu können. Zu Hause setzt sie sich an ihren Schreibtisch, schlägt den Malblock auf und malt. Sie malt Wellen, sie malt Blüten, sie malt den Sand und sie malt Uyu. Doch am Ende steht immer Narae. Zu Hause setzt Narae sich an ihren Schreibtisch, öffnet ihr Tagebuch und beginnt zu schreiben:
Das Meer atmet langsam,
Zieht vor und zurück, erforschend, während es den Sand küsst.
Die Sonne hängt an dir, wie ich es tue,
Legt ihre warmen Finger auf dein Haar, fängt goldene Fäden, die der Wind im Spiel zerzaust.
Er hat alles mitgenommen.
Die Worte, die wir nicht sagten.
Hat die Distanz aufgelöst.
Und dann – Stille.
Kein Du, kein ich mehr, nur wir beide.
Es war wie Ebbe und Flut zugleich.
Und ich musste nichts sagen, denn du hast mich längst verstanden.
Und am Ende stehst immer du.
© Elena Döhner 2025-02-28