von Lotte Maria Kaml
Der Fußtritt, den ich dir mitsamt diesem Schimpfwort verpasst habe, hat geschmerzt. Mich bestimmt mehr als dich. Aber du hast mich dermaßen provoziert. Im Stich gelassen hast du mich, damals. In der klapprigen Turboprop-Maschine, die uns von Malindi nach Mombasa beförderte, hast du ja noch dicht gehalten. Ich hatte dir etwas an-vertraut, das unter uns bleiben sollte. Als ich den Flieger nach Wien bestieg, war mir das Ganze schon nicht mehr geheuer. Dein Gesichts-Ausdruck gefiel mir nicht. Du wirktest irgendwie beleidigt. Zum ersten Mal fielen mir deine tiefen Falten auf, auch deine Füße knickten leicht ein.
Dann, gerade als ich meine Schlaf-Maske hervor kramte, wurde es turbulent. Keine Turbulenzen aufgrund der Wetterlage, nein. Die überlaute Durchsage des Piloten versetzte uns Passagiere in leichte Panik. Kurz und bündig wurde uns mitgeteilt, eine „unvorhersehbare Überprüfung der Maschine“ wäre vonnöten. Deshalb sei eine Zwischenlandung in Rom unumgänglich. Die Flugbegleiter gaben ihr Bestes, uns zu beruhigen. Es bestünde keinerlei Grund zur Sorge, eine reine Vorsichts-Maßnahme.
Was ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste: An Bord befanden sich auch unser damaliger Bundespräsident und der Außenminister. Ich saß in einem Flugzeug, für welches es aufgrund eines überzähligen Gepäckstückes am Flugfeld “Bomben-Alarm” gab. Das erfuhr ich im Nachhinein von einer Stewardess der AUA, mit der ich befreundet war. In Rom gelandet, durften wir die Maschine nicht verlassen. Eine geschlagene Stunde saßen wir da und warteten.
Es wimmelte von Polizei-Fahrzeugen und Rettungs-Wagen. Schließlich wurden wir in einen abgeriegelten Bereich des Flughafens gebracht. Hättest du dann bloß deine Klappe gehalten, wäre mir die nachfolgende Peinlichkeit erspart geblieben.
Nackt, wie Gott mich schuf, fand ich mich in einer kleinen Kabine wieder. Leibes-Visitation. Alles nur wegen des Päckchens „Bio-Tee“, welches ich am Markt des kenianischen Städtchens Ukunda erstanden hatte. Gegen meine Magenbeschwerden, die ich den eiskalten Drinks am Hotel-Pool zu verdanken hatte.
Schließlich durfte ich ohne Tee, aber im Besitz meines Reisepasses wieder an Bord gehen. Der Anschluss-Flug nach Salzburg war längst weg. Übernachtung in Wien. Etwas Entscheidendes fehlte zu meiner verdienten Nachtruhe: DU! Einfach weg warst du, nicht auffindbar.
Ich fiel ins Bett, schlief, bis mich das Zimmermädchen höflich, aber bestimmt hinaus komplimentierte und nahm den nächsten Zug nach Salzburg. In die Luft wollte ich an diesem Tag nicht mehr gehen, zumindest nicht physisch. Zu Hause angekommen, wartete ein Paket auf mich. Fest verschnürt, schwer. DU. Und mein Lieblings-Souvenir: das kleine, gehäkelte Deckchen der Frau, die mit ihren Handarbeiten die gesamte Familie ernährte. Sorry! Für meinen Fehltritt. Genieße deinen wohlverdienten Ruhestand am Dachboden. Von manchen Reisen bringt man so viel mehr mit als nur einen Koffer.
© Lotte Maria Kaml 2021-09-06