von Eva Reitbauer
Für unsere Jobs zogen mein Mann und ich nach München. Ich erfuhr am ersten Tag, dass meine Einrichtungen am anderen Ende von München waren. Mit größter Anstrengung schaffte ich ein neutrales Gesicht. Wie viele Stunden würde ich wohl im Stau verbringen? Meine Chefin war nicht empfänglich für eine Unterhaltung, sondern nur für ihren Monolog. Region ist Region. Die scheinbar offenen Türen wurden geschlossen und die flachen Hierarchien wurden steil. Ich redete mir die Situation schön und überzeugte mich, dass ich mir das richten konnte.
Ich lernte meine Teams kennen und schmiedete Pläne, zur Verbesserung der Arbeitssituationen. Mir war nicht klar, wie chronisch unterbesetzt und überarbeitet die Teams waren. Doch trotz angespannter Personalsituation, gefiel mir die Arbeit mit den KollegInnen.
Meine Arbeitstage dauerten mindestens 12 Stunden und meine Vorgesetzte erklärte mir, dass sie die Arbeitszeit nicht akzeptierte. Ich möge mehr Pausen einplanen. Die Gründe interessierten sie nicht.
Zusätzlich zum Praxiswahnsinn verbrachte ich Stunden um Stunden in Meetings wo viel gesprochen und doch nichts gesagt wurde. Nahezu jede Besprechung endete damit, dass es keine Lösung gab, denn niemand wollte entscheiden. Man erlaubte mir aber auch nicht, das zu tun. Ich steckte in einer Sackgasse.
„Du siehst das zu negativ. Es gibt viele positive Dinge“, erklärte sie.
Mittlerweile waren vier Monate vergangen und ich wusste, dass etwas aus dem Ruder lief. Es stimmte gar nichts. Ich spürte wie mir die Worte im Mund umgedreht wurden. Eine Person reichte, um die Arbeit mit 70 MitarbeiterInnen zu vernichten. Um meine Teams tat es mir wirklich leid.
Es war einfach nur vergeudete Zeit, und meine Chefin verstand nichts von dem, was ich versuchte. Es ging ihr um Geld, Listen und Unterschriften und nicht um das Wohl der MitarbeiterInnen. Ich durfte nichts beschließen, war jedoch schuld, wenn etwas nicht klappte.
Zwei Tage später kündigte ich, denn ich konnte nicht mehr in den Spiegel blicken. Ich tat genau jene Dinge, die ich bei anderen Menschen verabscheute. Ich schaffte mehr Probleme als Lösungen und redete heiße Luft.
Mein Mann kündigte ebenfalls und es war das erste Mal, dass wir was von München erlebten, denn bis dahin war keine Zeit. (Der mittlere Ring im Stau zählt nicht zu München erleben.) Wir schliefen in der Nacht wieder und mein Husten verschwand endlich. Seit wir in Salzburg sind, sind wir selbstständig.
© Eva Reitbauer 2019-12-23