Du wirst mich nie verstehen – Teil 2

Hannah Ehgartner

von Hannah Ehgartner

Story

„Ich bin wieder zurück, ich bleibe. Naja, ich liebe das Reisen und meinen Job, aber ich muss auch irgendwann sesshaft werden, verstehst du? Wie… Wie geht es dir?“ Bei ihren Worten kam alles wieder hoch und schon witzig, wie schnell man von vollkommen hingerissen und verliebt in die Vergangenheit bis hin zu durch und durch wütend und verletzt von den Ereignissenwechseln kann.„Alles klar, danke.“ Meine Stimme klang bitter. Was machte ich hier? Dieser eine Tag. Ich brauchte Luft zum Atmen, das hier war einfach zu viel. „Kiara, ich muss zur Arbeit, lass dir deinen Kaffee schmecken.“ Völlig verdattert ließ ich sie stehen.

Mein Atem raste, es fühlte sich an, als wäre mein Kopf mit Watte ausgestopft und irgendjemand würde einfach nicht aufhören immer mehr nachzufüllen, gleich würde ich platzen. Ich hatte es gesehen. Sie hatte die gleiche Ausgabe von „Americanah“ in der Tasche wie ich, keine normale, nein, so eine winzige, wie die, die man an Flughäfen kauft und die locker in die Hosentasche passen. Obwohl ich mir das bei so einem dicken Wälzer wie diesem nie vorstellen hätte können. Chimamanda Adichie Ngozi hatte mich inspiriert, als mir Kiara aus „Blauer Hibiskus“ vorgelesen hatte und dann hatte sie mir diesen Roman geschenkt. Der mich immer an diesen Tag erinnern sollte und der immer noch da war, wenn ich in meine Jackentasche griff. Super gemacht, Noah, du läufst schon die ganze Zeit in die falsche Richtung. Aber hey, falls du einmal rund um die Erde willst, bevor du ins Auto steigst, lass es mich wissen, dann nehme ich alles wieder zurück. Danke, liebe innere Stimme, immer wieder nett mit dir.

Genervt wollte ich umdrehen, doch Kiara trat auf die Straße und rief meinen Namen. Ich wusste, es war lächerlich, doch ich konnte nicht anders. Ich drehte auf dem Absatz um, verdoppelte mein Tempo und spurtete Richtung Park. Wie alt bist du? Hast du nicht einen Funken Würde? Was wird sie sich wohl denken, wenn du wegläufst wie ein 5-Jähriger, der sich keine Spritze von dir geben lassen will? Der Grund ist sogar besser! Wenn du mich fragst, in diesem Gespräch hast du verloren, klar, aber wer kann schon eine Journalistin beim Reden schlagen? Die quasseln drauf los, wie weiß ich was und die werden geschult im Kontern, Sticheln und Rumstochern. Wobei ich sagen muss, dass sie sich schon ziemlich zurückgehalten hat, du hast es so gut wie allein versaut, gratuliere. Halt die Klappe. Die Situation ist wirklich schon peinlich genug, das weiß ich selber, ich brauche niemanden, der mir das auch noch ins Gesicht klatscht. „Noah warte!“ Wow, sie war schnell! Hätte ich mir aber auch denken können, wenn jemand eine Perfektionistin und organisiert war, dann wohl Kiara. Früher war sie eben nicht so der sportliche Typ gewesen, aber das hatte sie sicher in ihren Wochenkalender aufgenommen. Ich fragte mich oft, warum sie sich eigentlich früher mit mir abgegeben hatte, sicher war das sowieso nur so eine Badboy-Phase, von der ließ sie sich doch nicht ihre Zukunft versauen.

© Hannah Ehgartner 2021-06-01

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