Duell am Mekong River

Travelbird

von Travelbird

Story

Verstohlen ruhte das mandelförmige Augenpaar hinter der Theke auf mir, als ich mit knurrendem Magen meinen – mit einer Plastikhaube abgedeckten – Teller entgegennahm. Das Holzschiff schaukelte gemütlich den schmalen Seitenarm des Mekong flussabwärts. Hohe Palmenblätter streiften meinen Arm. Eng wand sich der Fluss durch das ruhige Hinterland Vietnams. Es war genau die Art Abenteuer, für die mein Herz schlägt. Kaum ein Tourist verirrte sich in diese Region. Umso weniger verwunderlich, dass die Speisekarte nur in Landessprache abgedruckt war.

Als die Bedienung kurz zuvor an mich herantrat, tippte ich wahllos mit dem Finger auf ein paar Schriftzeichen der Menükarte. Ich schätzte die frische Küche Vietnams. Ich entschloss, mich überraschen zu lassen. Sich näher zu erkundigen wäre ohnehin sinnlos gewesen. Hier konnte ich nur mit Händen und Füßen, statt mit Englisch, punkten. Das Gefühl ein Stück unerschlossenes Vietnam zu erobern, erfüllte mich mit Glück. Die milde Sonne versüßte den Tag. Das Wasser plätscherte vor sich hin, das Muhen der Kühe mischte sich mit dem Kinderlachen von den Feldern. Herrlich! Die idyllische Freiheit Vietnams verzauberte mich und schenkte mir dieses dümmliche Grinsen, das sich nur einstellt, wenn Gedanken das Hier und Jetzt verlassen und Flügel bekommen.

Vielleicht hätte ich das belustigte Mädchen hinter der Theke noch bemerkt, doch mein glückseliger Zustand verschleierte meinen Blick. Ein erneutes Knurren im Magen ließ mich aufzucken. Richtig! Mein Essen. Neben dem lindgrünem Deckel lagen, eingerollt in Servietten, zwei Holzstäbchen. Aha! Keine Suppe. Hungrig hob ich den sonnenverblichenen grünen Deckel meines Tellers ab. Was war das?! In hohem Bogen kippte ich, lautstark für alle Anwesenden an Deck rückwärts, vom Stuhl.

Das Mädchen hinter der Theke bog sich vor Lachen. Tränen liefen über ihr verschmitztes Gesicht als meine Augen erstaunt von meinem Teller zu ihr und zurückwanderten. Das restliche Personal, sowie ein paar Gäste, fielen belustigt in das Lachen ein. Ich tat es Ihnen gleich.

Fremde Länder, fremde Sitten. Da saß ich nun auf dem Boden des Schiffes mit geweiteten Augen und sah zu wie sich mein Essen verselbstständigte und in alle Himmelsrichtungen davon lief. Die kleinen durchsichtigen Flussbewohner, kleine Mini-Krabbeltierchen in der Größe eines Flaschenverschlusses, eilten hastig über die grünen Salatblätter Richtung Reling auf und davon.

Leicht errötet, aber erheitert ob der Situation, stand ich schwungvoll auf, nahm die restlichen „Essensreste“ vom Teller und warf sie schallend lachend über Bord und so lebten sie lang und glücklich bis an ihr Lebensende.

Und die Moral von der Geschicht? Ärgere dich einfach nicht.

© Travelbird 2021-02-07

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