von Ulrike Sammer
Eine SexualpĂ€dagogin sagte unlĂ€ngst im TV, dass die Jugendlichen zwar eine Ahnung, aber kein Wissen ĂŒber SexualitĂ€t haben. Ist das nicht leider immer so gewesen?
Schauen wir doch, wie Kinder seit der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg bis jetzt aufgeklÀrt wurden.
In der Nachkriegszeit wurde ich selbst aufgeklĂ€rt. Und zwar ungemein verkrampft von meiner Mutter, die tatsĂ€chlich die altbekannte Geschichte von den Bienen und den Blumen bemĂŒhte. Da ich einen Bruder habe, wusste ich zwar, wie Buben aussehen, aber meine Eltern sah ich nie nackt und wie Babys entstehen, war kein Thema.
In meiner Volksschulzeit lernte ich Monika kennen. Dieses gleichaltrige MĂ€dchen kam in den Ferien oft zu ihrem Onkel. Sie hatte entdeckt, dass Onkel Viktor in einem Versteck eine Sammlung von Heften der âFreikörperkulturâ gebunkert hatte. Im Garten blĂ€tterten wir heimlich und still in diesen Heften. Wir fanden das sehr aufregend. Allerdings waren die FKK-Fotos alles andere als erotisch oder gar intim. Nackte Erwachsene spielten Ball oder lagen, jeder allein auf seinem Handtuch, am Strand.
Ein guter Freund von mir, gleich alt wie ich, erzĂ€hlte mir ganz anderes aus einem Arbeiterbezirk von Wien. Dort waren die Kinder der berufstĂ€tigen Eltern sich selbst ĂŒberlassen und klĂ€rten sich sozusagen gegenseitig auf der StraĂe auf. Dieser Freund durfte seinem Ă€lteren Bruder und dessen Freunden zusehen, was man mit seinem Penis so machen kann. Und dann gab es auch ein âwilligesâ MĂ€dchen, das sich von den groĂen Buben âbenĂŒtzenâ lieĂ. Der Kleine durfte wieder daneben stehen und zuschauen. SchlieĂlich war da noch ein weitaus Ă€lteres MĂ€dchen im Gemeindebau, die dem gerade pubertĂ€ren Buben beibrachte, wo es lang geht.
Das alles war fĂŒr mich nicht einmal vorstellbar. Die MĂ€dchen, die ich kannte, sprachen nie ĂŒber Sex. 1956 kam BRAVO auf den Markt, da durfte ich manchmal bei einer Freundin ein bisschen hineinlesen.
Meine nÀchsten Erfahrungen mit der AufklÀrung machte ich bei meinen eigenen Kindern. Es gab da ein anschauliches, kindgerechtes Buch, das ich mit ihnen las. Immerhin musste ich mir nicht selbst ausdenken, wie ich alles benennen soll.
Eine Freundin mit zwei Kindern besuchte mich einmal. Ihre und meine zwei Kinder spielten offenbar sehr gut miteinander, jedenfalls waren sie nicht zu hören. Aber wo waren sie denn? Sie hatten einen Altpapiercontainer entdeckt, in dem jemand seine ganze erotische Literatur samt Hochglanzheften entsorgt hatte. Mein Sohn war hineingestiegen und schaufelte alles heraus. Jeder ging vollbepackt heim.
Und wie ist das bei den heutigen Kindern? Die meisten haben Handys und manche können sich dort Pornos ansehen. Wer das nicht kann, kennt sicher jemanden, der ihm heimlich Einsicht gewĂ€hrt. Die Eltern wissen in der Regel nichts davon. Und falls sie sich dazu entschlieĂen, ihren Sprösslingen die âWahrheitâ ĂŒber die Frauen und MĂ€nnern zu erzĂ€hlen, werden sie vermutlich angegrinst, denn die Kinder wissen meist schon viel mehr.
© Ulrike Sammer 2021-01-15