von Otto Köhlmeier
Nachdem ihr Dummi-Fuxxi nun schon ein klein wenig kennt, könnt ihr euch sicherlich vorstellen, wie die Geschichte von Rene, dem Jungfuchs, und Egon, dem Jungpfau, am zweiten Schultag weiterging. Die beiden schönsten und besten und klügsten Kinder der ganzen Klasse standen also am offenen Fenster im zweiten Stock und Jungpfau Egon machte Rene klar, dass das Fliegen wunderschön und ganz, ganz einfach sei. Man müsse nur die Federn spreizen und schon ginge es dahin. Nur Dummköpfe seien zu blöd dafür. Er werde es ihm zeigen. Und er warf sich aus dem Fenster und gleitete zwei, drei Sekunden durch die Lüfte, ehe er dann, nicht unbedingt sehr elegant, landete. Er soll es genau so machen, wie er es gemacht habe, rief Egon, der Jungpfau, zum Fenster im zweiten Stock hoch. Als Rene gleich darauf ziemlich platt am Boden lag und die Augen verdrehte, lachte der Rest der Klasse von oben herab und kommentierte den Absturz mit „Dummi-Fuxxi, der Bruchpilot“. Klar, dass sich Dummi-Fuxxi von Egon verarscht vorkam und die Freundschaft zu ihm nach kürzester Zeit wieder beendete.
Blieb also Kevin Dachs. Auch Kevin, der Fette, genannt. Angeblich soll Kevin schon mit Übergewicht zur Welt gekommen sein. Schon als Neugeborener soll er ein paar Kilo zu viel gewogen haben. Und weil er vom ersten Lebenstag an in sich hineingestopft habe, was nur irgendwie zu fassen war, vor allem Regenwürmer, Maden und Mistkäfer soll er zum Fressen gern gehabt haben, setzte er ganz schön Speck an und wurde so bald schon zu Kevin, dem Fetten. Oder zu Fetti, wie er von den einen liebevoll, von den anderen nicht ganz so liebevoll genannt wurde.
Weil die Bauten von Familie Fuchs und Familie Dachs nebeneinander lagen, die Familien also Nachbarn waren, sahen sie sich oft, die Füchse und die Dachse. Man war fast befreundet. Nicht selten, dass Vater Fuchs und Vater Dachs am Abend noch vor ihren Bauten standen, eine Flasche Bier tranken und über Gott und die Welt und die Weiber redeten. Oft stand neben Vater Dachs der kleine Fetti und neben Vater Fuchs, da stand oft der kleine Dummi. Fetti sprach kaum ein Wort. Nur hin und wieder zupfte er an der Hose seines Vaters und meinte: Hunger! Dafür sprach Dummi-Fuxxi umso mehr. Ob er vielleicht einen Ball verschluckt habe. Oder ob er vielleicht auf einen Satz vierundzwanzig Schwedenbomben verdrückt habe. Oder ob er vor lauter Durst den Bach, den Rein, leergesoffen habe und deshalb solch einen Bauch mit sich herumschleppe. Ihn störe das nicht, meinte Dummi-Fuxxi. Und er, Kevin, dürfe sogar sein Freund werden. Und zwar dann, wenn er ihm mit seinem Körpergewicht den widerlichen Bruno, diesen lästigen Maulwurf, vom Leibe halte. Der suche, nachdem er ihm die Freundschaft aufgekündigt habe, ununterbrochen seine Nähe. Und das sei lästig. Er, Kevin Dachs, müsse sich nur, wenn sich Bruno bemerkbar mache und sich die Erde zu bewegen beginne, seine Plattfüße auf den Boden setzen. Fertig. Mehr sei nicht. Weil Fetti noch immer schwieg, wurden die beiden Freunde.
© Otto Köhlmeier 2021-03-28