Dungeon-Survival-Guide

Maresa May

von Maresa May

Story

Vielleicht war die eine oder der andere von euch schon mal in einem Dungeon. Das sind diese Gruselattraktionen im Stationentheaterprinzip, bei denen die Schauspieler dich das Fürchten lehren wollen, man aber gleichzeitig etwas über die „dunklen“ geschichtlichen Hintergründe des jeweiligen Standorts lernt. Folter, Pest und Spanische Inquisition sind bei allen fixe Stationen. Und bis auf ein paar Feinheiten war da auch historisch gesehen nicht so viel Unterschied in Amsterdam, Hamburg oder London.

Im Zuge von Projekttagen waren wir mit der Schule in Hamburg gewesen und dort auch im Dungeon. Aufgrund der guten Erfahrung wollten ein paar Jahre später meine zwei Interrail-Reisebuddies und ich auch Amsterdam und London zum Vergleich sehen.

Das schwierigste Publikum ist das, das nicht auf dich reinfällt. Die, denen das auch noch gefällt. Die, die in der ersten Reihe stehen und bei der Inquisition mitschreien, anstatt sich verängstigt in der Masse zu verstecken. Die, die sich freiwillig erhängen lassen und mit einem großen fetten Grinser darauf warten, den Erschrecker zu erschrecken, der vor einem steht, wenn das Licht wieder angeht.

Kurzum: Wir sind dieses schlechte Publikum. Wir reagieren leider selten so, wie es erwartet wird, erschrecken andere Leute anstatt uns selbst zu erschrecken, lachen in den unpassendsten Momenten und sind tendenziell immer mehr begeistert als gegruselt. Schuldig im Sinne der Anklage.

Was man dann allerdings auf gar keinen Fall machen sollte (oder auf jeden Fall machen sollte, je nachdem wie sehr ihr es genießen könnt, dass man euch eine Stunde lang egal wo ihr hingeht auf dem Kieker hat), ist die richtige Antwort auf die Fragen zu geben. Oder noch schlimmer: die Gegenantwort vorwegnehmen.

Wenn also der Pestdoktor bei der Obduktion fragt, ob ihr wisst, was die ersten Anzeichen einer Beulenpest sind, und ihr sagt „Fieber“, ist das unlustig und ihr werdet als Besserwisser oder Neunmalklug abgestempelt. Oder ihr müsst mal eben schnell mithelfen, die Gedärme der Leiche auszuwringen.

Wenn ihr euch allerdings zurückhaltet und jemand anders die offensichtliche Antwort „Eine Beule?“ geben lasst, stiehlt dem Schauspieler nicht den Gag und antwortet statt ihm sarkastisch überheblich „Eine Beule. Genau. Und das erste Anzeichen der Lungenpest ist eine Lunge. Bravo.“

Wenn das zuvor schon nicht lustig war, ist das erst recht nicht lustig.

Was dann als Strafe folgt, ist Ausweiden von Pestleichen, gezielte Anschuldigung vor der Spanischen Inquisition, Verbannung im Labyrinth, Folter und schließlich der Scheiterhaufen.

Denn eine eingespielte gute Truppe arbeitet mit den Fetzen, die du ihnen zuwirfst, anstatt sie zu ignorieren. Zur Belustigung aller – außer den Leidtragenden. Obwohl für uns gesprochen auch gesagt werden muss: Das war’s wert! ;-)

Für alle anderen gilt:

Und die Moral von der Geschicht? Wenn du die Antwort kennst, sag’s nicht!

© Maresa May 2020-09-01

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