Durch das Tor in die Freiheit

Heinz-Dieter Brandt

von Heinz-Dieter Brandt

Story

Zwei Familien durchschritten 1991 untergehakt feierlich ein Tor, das sie bis dahin nur aus der Entfernung sahen.

Mit diesem Tor – ursprünglich eines von 18 – wurde der Klassizismus staatstragende Architektur in Preußen: das Brandenburger Tor in Berlin, Wahrzeichen und Symbol der Überwindung der Teilung Deutschlands und Europas.

Auf Anweisung des preußischen Königs Friedrich Wilhelm II. wurde es 1788–91 als Triumphtor gebaut, erinnerte bis zum 2. Weltkrieg an die Herrschaft Napoleons. Hier wurden in der Weimarer Republik Verfassungstage abgehalten, hier feierte die SA am 30. Januar 1933 mit einem Fackelzug die „Machtergreifung“. Jahre später symbolisierte das Tor das Aufeinandertreffen von Warschauer Pakt und NATO.

Friedrich Wilhelm II. ließ es nach den Propyläen der Akropolis bauen. Er verglich sich mit Perikles (kluge Bündnispolitik, lange Friedenszeit, Vorherrschaft Athens), nachdem er 1787 eine Allianz zwischen Preußen, Niederlanden und Großbritannien herbeigeführt hatte. Das Tor sollte deshalb „Friedenstor“ heißen.

Über zwei Säulenreihen mit je sechs dorischen Säulen wurde, um das Gewicht zu reduzieren, ein Holzgebälk errichtet. Dadurch entstand ein 250 qm großer Raum in der Attika: die Soldatenkammer, Gefangenenlager unter Napoleon. Später beobachtete von hier die Grenzpolizei Westberlin.

Darüber stand die Quadriga: auf einem Vierergespann bringt die Siegesgöttin Viktoria Frieden in die Stadt. „Siegesgöttin“, weil „Victoria als Legitimierung der eigenen Militäraktion und … Bündnispolitik … diente“. Als Siegeszeichen wurde eine Stange mit Eichenkranz und Adler gefertigt, die Victoria mit fliegendem Gewand ausgestattet.

Im Tor zeigt ein Fries „den Streit der Centauren mit den Lapithen“: Seit der Antike gilt die Parabel als Sieg der Zivilisation über die Barbarei. In den Durchgängen sieht man die Herkulessage, in Nischen der Außenwände Skulpturen von Mars und Minerva. Die Decken waren mit Malereien geschmückt.

Neben der Repräsentation hatte das Tor funktionale Aufgaben: Erhebung von Akquise sowie Wache über den Zutritt zur Stadt. Die Durchfahrten wurden nachts verschlossen.

Napoleon schickte 1806 nach seinem Durchzug durch das Brandenburger Tot die Quadriga nach Paris. Eine Schmach – u.a. sichtbar durch das wie ein Stachel verbliebene senkrechte Befestigungseisen. 1814 kam die Quadriga triumphal zurück. Der neue Eichenkranz mit Eisernen Kreuz erhielt die Jahreszahl 1813.

Im Zweiten Weltkriegs wurden Tor und Quadriga schwer beschädigt, weshalb 1956 beide Teile Berlins den Wiederaufbau beschlossen. Allerdings entfernte die DDR heimlich die „Embleme des preußisch-deutschen Militarismus“: Preußenadler und Eisernes Kreuz.

1987 rief Präsident Ronald Reagan: „Mr. Gorbachov, open this gate!” Zwei Jahre später wurde das Brandenburger Tor unter Jubel geöffnet.

Im Inneren befindet sich ein Raum der Stille – Ort der Toleranz zwischen Nationalitäten und Religionen.

© Heinz-Dieter Brandt 2021-04-29

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