von Eva Filice
Ich verließ den Bus im Bewusstsein einen geschichtsträchtigen Boden zu betreten. Durrës, die zweitgrößte Stadt Albaniens wurde von mehreren Kulturen geprägt und unterschiedlichen Herrschern beeinflusst, deren Spuren wir nun folgten.
Bereits 627 v. Chr. gründeten die Griechen eine Siedlung an der östlichen Adria. Epidamnos nannten sie die Stadt, die 400 Jahre später als Dyrrhachium ins Römische Reich übernommen wurde. Dem Hafen der Stadt kam schon damals eine besondere Bedeutung zu, denn die Via Egnatia führte von hier in die östlichen römischen Provinzen und war als Handels- und Militärstraße von großer Bedeutung. Wohnungen mit Blick auf das Innere eines römischen Amphitheaters entdeckte ich erstaunt im Zentrum von Durrës. Erst 1960 kam bei Grabungsarbeiten das große römische Bauwerk zum Vorschein. Ein Großteil des Amphitheaters liegt noch unter Wohnhäusern. Beim Besuch in den gut erhaltenen Gängen stellte ich mir die Atmosphäre eines Gladiatorenkampfes vor, an dem sich zur Römerzeit bis zu 20.000 Besucher erfreut hatten. Mehr Interesse zeigte ich für die bunten Wandmosaike mit Darstellungen von Engeln. Sie stammen aus einer frühbyzantinischen Kirche, die in das Amphitheater integriert wurde.
Im Mittelalter wechselten die Besatzungen in diesem Gebiet von den Herrschern von Byzanz zu jenen der Bulgaren und Normannen, denen Ende des 14. Jh. die Venezianer als Eroberer der Stadt folgten, die sie Durazzo nannten. Unser Besuch im venezianischen Turm verschaffte uns einen Überblick über die abwechslungsreiche Geschichte der Stadt und den Ausblick über die Stadt am Meer. Der Rundturm war ein Teil der Stadtbefestigung und schließt an die 200 Meter lange und bis zu 18 Meter hohe byzantinische Stadtmauer aus dem 5.& 6. Jh an, die bis zum Amphitheater führt. Die ursprüngliche Länge der Stadtmauer betrug 3500 Meter. Nach den Venezianern herrschten die Osmanen von 1501 bis 1912 fast 400 Jahre lang über Durrës-Dıraç und über Albanien. Dem Land schenkten die osmanischen Herrscher keine große Bedeutung, denn die Freiheitsbestrebungen der Albaner bereiteten immer wieder Probleme. Das beschreibt der albanische Schriftsteller Ismael Kandare in vielen seinen Werken.
Die Große Moschee von Durrës am Freiheitsplatz konnten wir nicht besuchen. Erbaut wurde sie 1931; 1967 ließ der Diktator Hoxha die Moschee schließen und das Minarett abreißen. 1993 fand die Wiedereröffnung mit einem neuen Minarett statt. Gegenüber befindet sich das Rathaus, auf dem Reliefs auf die Bedeutung von Durrës als Handels- und Hafenstadt verweisen. Der Bulevardi Epidamni hinter dem venezianischen Turm ist eine belebte Geschäftsstraße mit einer von Palmen gesäumten Allee, die die Stadt mit dem Meer verbindet. Die Position am Meer macht Durrës zu einem beliebten Urlaubsort für Einheimische. Der fast 10 km lange Strandbereich bietet Möglichkeit für Badeurlaube sowie für Strandspaziergänge entlang der Promenade mit den vielen Cafés und Restaurants. Die Lage der Hafenstadt Durrës an der östlichen Adria und die Nähe zu Italien ermöglicht Albanien eine Hinwendung zu Europa, die zur positiven Veränderung für das Land führen möge.
© Eva Filice 2024-05-01