Edelmut

Um den Geschehnissen des Alltages zu entfliehen, werde ich wohl für ein paar Tage nach Frankreich reisen, um dort wieder an meiner gewohnten Power anzuknüpfen und dem Spuk zu entkommen. Der Flug nach Montmartre ist mit der Zuversicht verknüpft, einen Start in eine neue Zukunft zu wagen. Empört muss ich feststellen, dass ich der einzige Gegner meiner Zukunft bin. Zu allem Überfluss geht in meinem Kopf vor, einfach nur alles hinwerfen zu wollen, fortzulaufen und nie wieder Halt zu machen. Inzwischen hab ich mich mit dem Gefühl anfreunden müssen, meinen Körper nur mit mir herzuschleifen, weil Körper und Seele nicht mehr miteinander vereint sind. Wie konnte man existieren, wenn deine Seele nur deinem Körper nachlief? Befangen schwelge ich in Erinnerungen, die mich jegliches Gefühl für Zeit und Raum verlieren lassen. Am Abend zog ich mir ihr Shirt über und stellte mir vor, wie sie meine Schultern umgriff und mich innig küsste. Emsig saß sie auf meinem Schoß und blickte zu mir hinab, während sie ihre Haare in richtige Position brachte. Schüchtern überspielte sie ihre Unsicherheit mit Arroganz und ließ sich nicht anmerken, wie hungrig sie in Wirklichkeit nach Anerkennung war. Praktisch erinnerte mich ihr Duft an eine heruntergekühlte Sommernacht, deren Sehnsüchte gerne erhört worden wären, aber unerfüllt blieben. Ich würde ihr gerne ins Ohr gehaucht haben, dass mir ihr Edelmut den Verstand raubt. Bereits am ersten Tag des Kennenlernens, stellte ich fest, dass Augen nicht nur zum Sehen gemacht worden sind. Vielmehr verlor ich mich in ihren Augen, wie ein Kind die Kugel Eis. Vermutlich war ich dazu verdammt, den Blick ihres Herzens, über ihre Augen zu entschlüsseln. Obwohl sie es nie zuließ, bestand ich darauf, ihr möglichst oft in die Augen zu schauen, um mir einen Blick in ihre Seele zu gewähren. Fallweise schaute sie manchmal auch einfach nur weg, was mutmaßlich auch darauf schloss, dass sie von mir schon lange die Nase gestrichen voll hatte. Jedoch kann ich nicht ausschließen, dass sie nicht vielleicht doch, nur schüchtern war. Sicher war das Verhältnis zu ihrem Vater grandios, dennoch bezweifle ich, dass Jürgen eine Ahnung hat, was es bedeutet, sich für einen Menschen aufzuopfern. Kurz nachdem Loreen mit Emma schwanger war, betrog er sie, woraus Dominik hervorkam. Im Wesentlichen hatte er ihn aber noch niemals gesehen.