von RiHa
Wenn ich am Wochenende freihabe, frühstücken wir gemeinsam. Stereotypischen Ritualen folgend, die einem alten Ehepaar so nachgesagt werden, und im Grunde leben Mama und ich ja wie ein alternatives Ehepaar zusammen, sitzen wir am späten Morgen bei Marmeladebrot, Brioche und obligatorischen Kaffee zusammen.
Ich würde ja liebend gerne still und andächtig die ausführliche Samstagsausgabe der Zeitung studieren. Meine Mutter hingegen ist ausgehungert nach Konversation. Es endet in einem Kompromiss. Sie redet, ich tue so, als ob ich zuhöre.
Angestrengt versuche ich das fröhliche Plappern auszublenden und mich auf den Artikel zu konzentrieren. Hin und wieder lasse ich bei einer Sprechpause ein “Mhm” hören, besonders, wenn die Stimme nach oben geht, also eine Frage vermuten lässt. Eine Weile klappts. Plötzlich Stille…
“Willst deine Ruhe haben?”
“Ja, bitte.“, gestehe ich. „A bisserl a Ruh, wär` schon schön.”
BRÜSSEL: Die EU…
Mamas Verständnis währt nur kurz, denn nach wenigen Minuten beginnt sie laut zu denken. Kaum etwas bleibt unausgesprochen.
Heute beschäftigt sie die italienische Sprache. Im Kreuzworträtsel fragt man nach dem italienischen Wort für Ei. Ich hatte zwar Latein in der Schule, kann aber leider nicht helfen. Wie praktisch, dass meine Mutter Sprachlexika sammelt. Griechisch, Italienisch… Obwohl sie selten ins Ausland verreist, ist sie überzeugt, dass sie sie bestimmt mal brauchen würde. Also schnell unter “Ei” nachgeschlagen. “Uovo”. Passt.
Mama beginnt zu lachen.
“Was glaubst du, heißt Uova a la kok (uova alla coque)”?
Na ja, ich wage es kaum auszusprechen. Ich kann weder Italienisch noch Französisch. Aber ich weiß, was das französische “coq” auf Deutsch bedeutet. Und da die romanischen Sprachen ja ähnlich sind…
“Äh … Hahn-Eier … Hoden?”, antworte ich vorsichtig und frage mich gleichzeitig, ob Hähne überhaupt Hoden haben? (Innen liegende vielleicht)
Mama lacht genüsslich.
“Siehst du, das habe ich mir auch gedacht. Uova a la kok heißt weiche Eier!“ … „Hihi!” … Mama zerkugelt sich.
Jetzt ist sie zurück in der Pubertät, denke ich. Man spricht vom zweiten Frühling, vielleicht gibt es auch eine zweite Pubertät?
“Ihahaha!“
„Ich seh gar nichts mehr.” Sie wischt sich die Lachtränen aus den Augen.
Räuspern.
“Also… Hihi… was heißt Uova strapazzate?”
Hm. Klingt ein bisschen wie strapazierte Eier, reimt es sich mir im Kopf zusammen. … “Rührei?“
„Jahaha!“, quietscht Mama schulterzuckend. Sie hält sich die Hand vor den Mund, während sie mich kokett aus tränennassen Augen anschaut. Die andere Hand bändigt den hüpfenden Bauch.
Gut, dass das Wort für hart gekochte Eier nicht mehr ganz so lustig klingt. Das gibt ihr die Chance abzukühlen.
Ich starte den dritten Anlauf weiterzulesen.
BRÜSSEL: Die EU-Staats…
Ich habe den Artikel gerade mal so geschafft, da verlautbart Mama fröhlich: “Weißt du was? Italienisch ist lustig. Ich glaub, ich lern jetzt Italienisch!“
Diesmal lacht sie nicht. Ihre Augen blitzen keck.
© RiHa 2021-03-28