Hm. Beginnt so die senile Bettflucht? Es ist 2 Uhr 40 Sommerzeit, heut ist die Nacht der Zeitumstellung, also tät ich gut dran endlich zu schlafen. Eigentlich. Lieg wach und sinniere über dieses bedeutungsschwangere Wort. Und weil ich eigentlich schlafen sollte, es aber tatsächlich nicht kann, sitz ich jetzt da und warte drauf, dass der Zeiger der Funkuhr um 3 Uhr zu rennen beginnt.
„Eigentlich“ meint es immer irgendwie anders.
„Eigentlich geht dich das nichts an“…., aber ich sag es dir trotzdem . Oder die Sache mit dem Alter. Das beginnt schon als Kind, wenns heisst „eigentlich bist noch zu klein dazu“…., aber ich lass dich halt schon ein bissi reinschnuppern ins grosse Leben. In dem Fall ist es fast ein Zauberwort und weckt positive Erwartungen.
Sehr häufig hat es aber eine andere Bedeutung.
Ich denk grad an meine geliebte Buntheit. Ich liebe sie halt, meine bunten Kittel, Patchwork oder Batik, möglichst leuchtend und bunt.
„Eigentlich sollt man in deinem Alter schon dezentere Farben tragen“, hör ich die Gedanken meiner Mitmenschen. Es gibt schon welche, die sich mit mir an meiner Buntheit freuen, klar. Aber viele andere bring ich damit aus ihrem Lebenskonzept. Alles hat seine Zeit, denken die. Und mit 72 trägt man eben cremefarben oder zartlila. Von wegen, sag ich da.
Hab ich unlängst beim Einkaufen ein Gespräch gehört. Da traf ein jĂĽngeres Pärchen eine betagte Dame in einer grellgrĂĽnen Jacke. Wirklich fast neongrĂĽn. Und noch bevor die beiden eine Bemerkung dazu machen konnten – eine, wie „eigentlich ein bissi zu bunt fĂĽr dein Alter“ – , meinte sie lachend:
„Wenn ich sonst auch schon alt und grau bin, hab ich wenigstens noch bunte Kleider, das tut mir gut!“ Und dann spiegelte sich in den Gesichtern des Pärchens eine Art Erkennen. Ein anders „Eigentlich“. Nämlich: „Eigentlich hat sie Recht!“
Die Dame hatte hĂĽbsches, schlohweisses Haar. Bei anderen gefällt’s mir ja. Oh, meine Oma mit ihrem weissen Wuschelkopf! Aber fĂĽr mich mag ich’s halt noch nicht. Auch wenn mein Lieb mich gern weisshaarig sähe. Ich liebe mein hennarotes Haar, wenn die Sonne reinscheint. Ein paarmal hab ich schon gedacht, mich bei einem Friseur zu informieren, wie ich das dann mal machen sollte. Aber die Keule einer chemischen Färbung widerstrebt mir enorm, also geh ich erst gar nicht hin. Eben. Eigentlich sollt ich mich mal schlau machen, wie das mit meinem Haar weitergehen soll…, aber ich tu’s halt nicht.
So, jetzt komm ich wieder an den Anfang zurĂĽck. Der Zeiger der Funkuhr hat seine Runde gedreht. Im Bett ists’s jetzt sicher fein kuschelig, senile Bettflucht beendet. Denn eigentlich sollt ich jetzt schlafen. Und das tu ich jetzt hoffentlich endlich…
© rebella-maria-biebel 2019-10-27