Ein arroganter Schnösel

rebella-maria-biebel

von rebella-maria-biebel

Story

Wahrscheinlich waren wir in den Siebzigern manchmal Tischnachbarn im Cafe Hawelka, der Francis Charles Georges Jean Andre Heller-Hueart und ich. Es war eines unser beider Lieblingslokale. Aber die Prominenz, die ja damals noch keine grossen Berühmtheiten waren, die hatte die resolute Frau Josefine wohl in einen abgeschirmten Bereich platziert. Egal. Ich hab ihn damals sowieso nicht mögen.

Bewusst wahrgenommen hab ich ihn mit dem neuen Radiosender Ö3. Irgendwie brachte ich seine Stimme und seine Musik nicht unter einen Hut. Die Musik, die er präsentierte, war sowas von großartig. Dagegen war seine Stimme nur unangenehm und hochnäsig. Dieser Stimme wollte ich gar nicht zuhören, dabei hat er sicher einiges Interessantes zu sagen gehabt.

Irgendwas musste an ihm dransein. Dem konnte ich nicht mehr ganz ausweichen, als die von mir hochverehrte Erika Pluhar ihn ehelichte. Was fand sie bloss an dem arroganten Schnösel? Dann gab’s da noch den Partnertausch Jesserer/Vogel und Pluhar/Heller, der mit Peter Vogels Suizid endete. Drama pur um den versnobten Hellerbuben. Ab dann wurde es still um Hellers Privatleben. DafĂĽr begann er seine Talente zu zeigen.

Erstmal seine Singstimme, die mir erstaunlicherweise nicht so unangenehm war wie seine Sprechstimme. Dann kam die Zirkuszeit. Roncalli und jede Menge Aktionismus. Unfassbar, wie viel Phantasie in dem Kerl steckte von Flic-Flac über Feuertheater bis Afrika!Afrika! Heller explodierte alle Jahre wieder zwischen Hongkong und Marokko. Also da begann er mich wirklich zu beeindrucken, vor allem auch mit seinem politischen Engagement. Seine Wahlkampfrede für Alexander van der Bellen hat mich vom Hocker gerissen, kämpferisch, herzwarm, optimistisch.

Mittlerweile hatte er nun doch mein Herz erobert. Ich habe über die Jahrzehnte miterleben können, wie sich der arrogante Schnösel zu einem grenzenlosen Künstler, ja Volks-Künstler gemausert hat. Ich liebe seine Interviews und Diskussionen voller Überraschungen und Klugheit.

Und seine BĂĽcher, alle. Grad hab ich wieder eines begonnen: “Zum Weinen schön, zum Lachen bitter“, autobiographische und andere Kurzgeschichten. Da geht es zum Beispiel um einen kleinen Gauner, der vom Pokerspiel auf Heiratsschwindel umsteigt:

“…weil er in Herzensangelegenheiten nur ein einziges Gegenüber irreführen musste anstatt zwei bis drei wie bei den Pokerspielen, die man übrigens nur im Sitzen ausüben konnte, obwohl ihm grundsätzlich im Liegen die besseren Ideen kamen…”

Das hat doch was von der Tante Jolesch oder Lumpazivagabundus. FĂĽnfzig Jahre hat’s gedauert bis der Herr Heller bei mir angekommen ist. Spät aber doch, von der Verweigerin zum Fan!

© rebella-maria-biebel 2022-02-05

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