von Ikaruz
Vor ein paar Monaten hat Oli geheiratet und ich möchte ihr eine japanische Kleinigkeit mitnehmen. Die letzten Wochen waren leider erfolglos und die restliche Zeit in Japan knapp. Doch heute soll sich das ändern.
Es ist Hochsommer in Japan und vor allem das Kansai Gebiet trifft es in der aktuellen Woche extrem. Eine Hitzewelle hat sich breit gemacht und treibt alles und jeden in den Schatten, den Untergrund oder sonstige klimatisierte Räumlichkeiten.
Diesmal habe ich mir nur einen Tagesausflug eingeteilt. Kyoto kenne, und liebe, ich bereits und ich entscheide mich für den Fußmarsch vom Hauptbahnhof in das historische Zentrum Gion. Heute reise ich mit meinem Tagesrucksack und sobald ich den Bahnhof verlasse, sehe ich wie ich vor zwei Jahren mit großem Koffer denselben Gehsteig entlang marschiere.
Ich möchte entlang des Kamos nach Gion gehen. Eine wunderbare Route, vor allem wenn man Zeit hat.
Beim Besuch des Yasaki Schreins habe ich eine Idee für Oli. Ein Omamori soll es sein. Ein kleiner Gott in einem kleinen, bunten, Stoffsäckchen, der so einige verschiede Zwecke erfüllt und seine/n Träger/in beschützt. Yasaki Schrein kann jeder, denk ich mir, und mache mich auf die Suche nach dem
Nishiki-Tenmangu Schrein.
Dieser kleine Schrein hat es mir schon das letzte Mal angetan. Mitten drin im Trubel der Einkaufsstraße liegt er versteckt in einem kleinen Innenhof. Nur wenige Touristen verirren sich hier her und dementsprechen ruhig ist es als ich um die Ecke biege und mich am Schreinbrunnen reinige.
Linke Hand, rechte Hand, Mund ausspülen und Schöpfer. Fertig.
Unter den wachsamen Augen der Tempelhelferin (Miko) nähere ich mich dem Verkaufsstand um das Omamori Angebot zu inspizieren. Ich verneige mich zum Gruß, sie erwidert und macht eine einladende Handbewegung über die Glücksbringer vor ihr.
Und sofort sehe ich das Passende. Ein Omamori Set für frische Ehepaare. Bingo!
Die Miko nimmt die kleine Schachtel in beide Hände, legt das Tablet zur Seite und beugt sich langsam über die Omamoris.
Sie beginnt zu beten.
Dieser Moment der absoluten Ruhe und Seligkeit greift um sich und hüllt auch mich in ein gutes Gefühl. Unterstützt vom schweren
Duft der Räucherstäbchen und dem Klimpern der gläsernen Windglöckchen (Furin) am Schreineingang erfahre ich einen Augenblick reinster Spiritualität.
Sie beendet ihr Gebet, schließt das Schächtelchen und reicht es mir wortlos.
Noch ganz überwältigt bezahle ich, verneige mich nochmals tief und verabschiede mich.
Etwas aufgewühlt verstaue ich das Geschenk in meinem Rucksack und tauche wieder ein in den Touristenstrom der mich sofort verschlingt.
Oli, ich hab das richtige für dich gefunden!
© Ikaruz 2020-11-04