Ein Biss mit Folgen

Gabriele_Krele-Art

von Gabriele_Krele-Art

Story

John und ich sind uns auf der maledivischen Insel Kuredu im Indischen Ozean zweimal begegnet: vor der Erste-Hilfe-Station im Urlaubsresort und bei der Verabschiedung vor unserem Abflug. Das dokumentiert ein Foto von unseren Waden mit einem Verband an exakt der gleichen Stelle. Die Umstände unseres Kennenlernens waren mehr als ungewöhnlich.

Es war der Karfreitag, als ich mit Schnorchel die Unterwasserwelt vor unserem Bungalow erkundete. Eine gelbe Muräne lugte aus ihrer Felsspalte, ihr Maul weit offen, ihre Augen starrten mich an als wollte sie mir sagen: „Keinen Flossenschlag weiter, sonst habe ich dich!“

Wenige Augenblicke später verspürte ich einen brennenden Schmerz am Unterschenkel. Nein, es war nicht die Muräne. Es war ein Fisch von stattlicher Größe. Ein Drückerfisch mit großen, meißelförmigen Zähnen, wie sich später herausstellte. „Mich hat ein Fisch gebissen!“, rief ich meinem Mann zu. Ich glaube mich erinnern zu können, dass ein Lächeln über sein Gesicht huschte. Als er meine blutende Wunde an der Wade sah, erschrak auch er.

So schnell wir konnten schwammen wir zum Strand, direkt zur Erste-Hilfe-Station. Trotz Hitze zitterte ich vor Aufregung. Da saß ich nun, triefend nass, auf der Bank vor dem kleinen Hospital und wartete auf das Eintreffen des Arztes. Da tauchte er auf, der Englishman, sah meine Bisswunde und folgerte: „Have you also been bitten by a trigger fish?“ So begann vor nun schon 16 Jahren unser erster „small talk“.

John hatte sich mittlerweile umgezogen und seine Wunde mit einem Verband versorgt. Der diensthabende Arzt meinte: „Da habt ihr beide ja Glück gehabt. Ich habe schon schlimmere Bisse gesehen, am Knie, am Kopf,…“

Und so kam es, dass wir beide, bitten by the same triggerfish, Koje an Koje lagen. Ein paar Stiche und die Wunde war geschlossen. Ein paar Tage Antibiotika, und die Infektionsgefahr war gebannt.

Wir hatten beide in kurzer zeitlicher Abfolge den Drückerfisch beim Überschwimmen seines Nestes gereizt und seine Scheinangriffe nicht bemerkt. Denn erst danach greift er tatsächlich an. Hätte er allerdings richtig zugebissen, wären wir nicht so glimpflich davongekommen. Seine Beißkraft ist enorm. Die nachträgliche Absperrung des Küstenbereichs nützte uns leider nichts mehr.

Als wir am Tag unserer Abreise auf unser Wassertaxi warteten, standen John und seine Frau an der Beach Bar. Wir tauschten unsere E-Mail-Adressen aus und verabschiedeten uns. Ein Jahr später stand ich am Flughafen Wien Schwechat, um John und Sue zum ersten Mal in Österreich willkommen zu heißen. Unsere Freundschaft hat sich gefestigt durch viele gemeinsame Unternehmungen in Österreich, England, Cornwall, Kreta, Lanzarote. Doch eines vermeiden wir tunlichst: das Schnorcheln im Revier des Drückerfisches zur Brutzeit. Wir haben unsere Lektion gelernt!

© Gabriele_Krele-Art 2022-10-02

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