Ein bisschen wie sterben

Harald Hartl

von Harald Hartl

Story

Im Grunde mag ich alle vier Jahreszeiten – den Frühling, den Sommer, den Herbst und den Winter. Weder Hitze, noch klirrende Kälte, kein Regen und auch nicht Schneefall sollten ausschlaggebend für unser Stimmungsbarometer sein. Ich bin der festen Überzeugung, dass man jedem Viertelabschnitt des Jahres und (fast) jeder Witterungslage etwas Gutes und Schönes abgewinnen kann; sieht man von Dauerregen mit Überflutungen, anhaltenden Hitzewellen mit einhergehender Dürre, extremen Blitzen begleitet durch ohrenbetäubenden Donner, vernichtenden Hageleinschlägen oder gar orkanartigen Stürmen ab. Klammert man also Wetterextreme aus, gilt für mich das Motto: Es gibt kein schlechtes Wetter, nur …

Wie schön ist es doch, wenn – leider immer seltener – dicke Flocken vom wolkenverhangenen Winterhimmel tanzen und das Grau der Landschaft mit einem weichen, weißen Teppich überziehen. Obwohl ich kein Wintersportler bin und bevorzuge, mein Vehikel auf griffigem Asphalt zu pilotieren, freu ich mich dennoch auf Schnee und Kälte. Ich denke dann gerne an meine Kindheit zurück, in der meine Schwester und ich, mehr schlecht als recht, mit unseren alten Schwarten ohne Sicherheitsbindung, nach dem Ausstieg aus dem Schlepplift, den ohnehin nicht allzu steilen Hang bewältigten.

Am schönsten aller Jahreszeiten empfinde ich den Frühling, wenn alles erwacht und alles erblüht. Neues Leben wird der Welt eingehaucht. Tiere erwachen ebenso wie wir Menschen. Die Tage werden wieder länger, die Sonne mit jedem Tag kräftiger. Bienen fliegen von Blüte zu Blüte, um möglichst alle zu bestäuben. Mir scheint als wäre der Mensch kommunikativer, freundlicher und kontaktfreudiger – im Frühling.

Sommer, Sonne, Badespaß. So heißt es doch. Obwohl ältere Menschen mehr und mehr unter extremer Hitze leiden, genießen die Jüngeren diese Jahreszeit wohl am meisten. Freizeitaktivitäten in den Ferien, und im besten Fall sich unsterblich verlieben – man kann sich natürlich zu jederJahreszeit unsterblich verlieben – machen den Sommer für sehr viele Menschen zum absoluten Favoriten in der Jahreszeit-Beliebtheits-Skala.

Und dann naht der Herbst. Es heißt Abschiednehmen von der heißen Jahreszeit. Vom Ferienspaß und von allem, was viele mit der schönsten aller Jahreszeiten assoziieren. Die Schatten werden wieder länger, die Tage dafür kürzer. Am taunassen Morgen ist es wieder kühl. Besonders auffällige Spinnweben spannen sich über Gräser, Büsche und Bäume. Braune Blätter schweben im Herbstwind von den, noch vor geraumer Zeit saftig grünen Laubbäumen. Es dauert nicht mehr lange, bis sich der erste Reif über Wiesen und Felder breitet. Obwohl Sonnenstrahlen tagsüber noch kräftig wärmen, wird es frühabends mit jedem Tag spürbar kühler. Aus diesen und noch einigen anderen Gründen ist der Herbst für mich persönlich jene Jahreszeit, die ich manchmal gerne überspringen würde.

Und wieder der Gedanke: Herbst ist ein bisschen wie sterben …

© Harald Hartl 2021-08-27

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