Ein Brautkleid muss her

Pretulia

von Pretulia

Story

Es gibt eine TVsendung, in der sich Bräute in einem Fachgeschäft für Brautmoden ihr Traumkleid für den großen Tag aussuchen. Herrliche Roben hängen zu Hundert in einer langen Reihe. Die Verkäuferin gustiert mit der Braut. Vier bis fünf Kleider kommen in die engere Wahl. Die Braut verschwindet hinter einem Vorhang, um dann als Prinzessin wieder zu erscheinen.

Den Hofstaat hat sie mitgebracht. Dieser, meist bestehend aus Mama, Schwester, Freundinnen, sitzt sektschlürfend in bequemen Fauteuils und blickt mit großen Augen auf das Geschehen.

Wie fühlst du dich, fragt die Verkäuferin? Ist das dein Brautkleid? Die Braut, jetzt plötzlich ganz Prinzessin starrt in den Spiegel. Also ich weiß nicht, ich will schon Spitze, aber so viel? Ja das ist besser, aber ich fühl mich nicht gut darin. Das geht gar nicht, da sieht man meine Tattoos nicht. Es sollte schlicht, aber doch raffiniert sein. Schleppe geht gar nicht. Zu viel Glitzer, zuwenig blinkblink, zu weiß, zu cremefarbig.

Der Geduldsfaden als Verkäuferin verkleidet, versteht alles. Du musst dich gut fühlen, es soll das Kleid sein, das nur für dich bestimmt ist.

Ich hab noch was gefunden, teilt sie plötzlich dem Fernsehpublikum geheimnisvoll mit, bin gespannt was sie dazu sagt. Die Spannung steigt ins Unermessliche und tatsächlich, ja jubelt die Prinzessin, jetzt wieder ganz Braut, das ist es! Alle sind begeistert, wunderschön, wie für Dich gemacht.

Ich freue mich so, teilt die Verkäuferin dem Fernsehpublikum mit, dass sie doch noch ihr Kleid gefunden hat. Das war jetzt ganz schön schwere Arbeit. Die Braut umarmt die Verkäuferin (wir sind ja schließlich in Deutschland und im Fernsehen) und alle sind mega happy.

Ich lasse das Gesehene nachklingen und erinnere mich als ich Braut war. Ich wollte gar kein Brautkleid. Da komm ich mir verkleidet vor!? Für meine Schwiegermutter aber war klar. Ein Brautkleid muss her. Zur damaligen Zeit waren Brautkleider noch Luxusartikel. Ich wollte auf keinen Fall für 1-mal so viel Geld ausgeben, eine Schneider-bekannte hatte ich nicht, also blieb nur der Weg in einen Brautmodenverleih.

An einem kalten Novembertag, es roch nach Schnee und der Wind pfiff uns um die Ohren, erreichten wir durchgefroren das Geschäft. Es war mehr ein Kammerl in dem Brautkleider hingen und ein diffuses Licht von der Decke blinzelte. Sekt stand bereit (haha) aber es wäre eh zu kalt gewesen. Unwillig probierte ich drei Exemplare, entschied mich für das am wenigst hässliche, war schwanger, hundemüde und wünschte mich nur heim unter eine warme Decke. Bekam noch einen Schleier verpasst, was für mich der Hässlichkeit noch die Krone aufsetzte. Das Kleid hatte so eine schmutzigweiße Farbe, eigenartige Rüschen und war, heute sagt man Vintage, damals hieß es altmodisch, aber hoch 4. Wir mochten uns beide nicht. Nach der Hochzeit wurde es zurückgebracht. So sahen wir uns zum Glück nie mehr wieder.

Für meinen Mann war ich die Schönste. Aber ich weiß, am Kleid kann es nicht gelegen sein.

© Pretulia 2021-08-21

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