von Sarah Dahman
Einiges wird in dieser Welt nicht angesprochen, anderes hingegen zu viel. Der Mensch spielt gerne den Gott, muss aber auch die Konsequenzen erleiden. Er stellt sich über andere und entscheidet ihren Tod im Namen seiner Nation oder Kultur. Es ist die endlose Autokratie, überströmt von Blut und Tränen, wo Mensch und Mensch einander töten wollen, statt eine Lösung zu suchen.
Mein Urgroßvater hat sowohl den Ersten, als auch den Zweiten Weltkrieg miterlebt. Persönlich habe ihn nicht gekannt, aber mein Vater erzählt mir manchmal Geschichten von ihm. Vor allem der Zweite Weltkrieg hat ihn mitgenommen. Bevor er an die russische Front ziehen musste, hat seine Familie eine Judenfamilie vor der Eisernen Garde versteckt, welche enge Beziehungen mit der SS pflegte und zuständig für die Romanisierung von jüdischem Besitz in Rumänien war. Sobald das Kriegsende angesagt war, konnten ihn seine Verwandten kaum wiedererkennen. Die harten Winter an der Front, die unzähligen Gaseinsätze und Verluste, wohin das Auge blicken konnte, haben ihren Eindruck hinterlassen. Sobald ihn seine Enkel baten, etwas von der verbrachten Zeit zu erzählen, zitterte sein ganzer Körper und ihm fielen die Tränen. In Gott fand er seinen Frieden.
Mein Vater erklärt mir oft, dass wir es heute gut haben und froh sein können, dass wir in Friedenszeiten leben und wir Gott dafür danken sollen. Aber ich denke doch auch an die Menschen in anderen Ländern, Mensch wie Sie und ich, die tagtäglich mit der Hoffnung leben müssen, dass ihre Lieblinge ebenfalls den frühen Morgen erwischen und das Tageslicht erblicken. Dass sie nicht an Hunger oder Kälte oder Hitze leiden. Womit haben wir das verdient?
Meine Eltern sagen immer, Krieg sei die Blindheit des Menschen und seine Inkapazität, mit anderen seinesgleichen eine Lösung anzustreben und alle anderen hätten keine Stimme, was Entscheidungen anbelangt. Ich denke, wir können das ändern. Wenn jeder seine Stimme gegen die Gräueltaten der Menschheit erheben würde, könne sich was ändern. So naiv-pazifistisch das klingen möchte, wir können nichts erfahren, ohne es zu versuchen.
Gleichzeitig ist mir bewusst, dass ich sehr wohl keine Pionierin auf diesem Gebiet bin. Jedoch möchte ich Sie mit den folgenden Seiten in die Geschichte meines Urgroßvaters versetzen und gleichzeitig anregen, über die Menschheit nachzudenken. Alle Briefe enthalten Bruchstücke der tatsächlichen Korrespondenz zwischen meinen Urgroßeltern.
© Sarah Dahman 2024-08-27