Es ist an der Zeit in den Reisetagebücher zu blättern.
Schottland: Die Wellen brechen über das kleine Boot herein. Beim Hinfahren war die See noch ruhig und die Reisenden zeigten begeistert auf die Seehunde, die auf den kleinen Inseln, an denen wir vorbeifuhren, spielten. Wir haben gerade von der Isle of Staffa abgelegt. Wie benommen sitze ich im Boot: Fingal’s Cave. Keine Kathedrale kann ihr, was Großartigkeit und Schönheit anbelangt, das Wasser reichen. Theodor Fontane, William Turner, William Wordsworth, um einige zu nennen, ließen sich von ihr zu unvergesslichen Werken inspirieren. Felix Mendelssohn Bartholdy versuchte diese einzigartige Atmosphäre in seiner Schottischen Symphonie einzufangen: das Heranrollen der Flut, die kurze Stille und das erneute Anschwellen der Flut. Wie winzig bin ich doch.
Wüste: Ich erwache durch einen lauten Knall. Draußen tobt ein Sandsturm. Lange wird es nicht mehr dauern, bis das Zelt mich unter sich begräbt. Verärgert über mich, weil ich viel zu weit von der Gruppe mein Zelt aufgeschlagen habe, ziehe ich mich an und packe meine Habseligkeiten in den Rucksack. Panik steigt langsam hoch, denn in diesem Sandsturm finde ich garantiert nicht zum Caidal (Beduinenzelt), wo der Rest der Gruppe schläft. Ich werde hier wohl oder übel ausharren müssen, bis der Sturm sich legt und hoffen, dass man mich morgen findet. Plötzlich schlägt jemand an die Zeltplane, mein Herz steht kurz still. Draußen steht Mohammed und gibt mir das Zeichen, ihm zu folgen. Er packt meine Habseligkeiten und führt mich durch den brüllenden Sturm zum Hauptzelt. Der Mann der Wüste hat mich gefunden und gerettet.
Jakobsweg: Ich steige höher und höher. Es ist rabenschwarze Nacht. Die jungen Leute, mit denen ich heute Morgen aufgebrochen bin, sind zu schnell. Ich falle immer weiter zurück. Es ist steil, der schwere Rucksack, ich bin außer Atem und gebe auf. Langsam, Schritt für Schritt versuche ich allein den Weg hinauf zu finden. Das Ziel ist der Gipfel, um den Sonnenaufgang zu erleben. Es dämmert, Umrisse in der Landschaft werden sichtbar. Weiter folge ich dem Pfad. Das Dorf O‘ Cebreiro liegt schemenhaft rechts von mir. Daran vorbei, steige ich weiter zum Gipfel hinauf. Ich schaffe es rechtzeitig. Nach Osten gewandt warte ich, bis sich am Horizont immer heller werdend ein gleißender Streif abzuzeichnen beginnt. Plötzlich ist sie da. Die Sonne, die ihre Strahlen über die Landschaft ergießt.
Karst: Keuchend, bei 38 Grad, schleppe ich mich Schritt für Schritt hoch. Eine Tafel warnt mich vor Hornvipern. Bei einer Wegkreuzung führt mich meine Beschreibung nach rechts. Ich gehe nach links. Ich bin erschöpft, da schlägt meine rechts-links Schwäche meistens zu. Den Irrtum bemerke ich erst, als ich im Gestrüpp festhänge: “Hornvipern”schießt es mir durch den Kopf. Vorsichtig kehre ich um, ärgere mich über meine Unkonzentriertheit. Weiter auf dem richtigen Weg, bis ich das Plateau erreiche. Vor mir das Meer und unter mir Triest.
© Ingeborg Berta Hofbauer 2020-12-30