Ein echtes Würschtl

ERFAlina

von ERFAlina

Story
Niederösterreich

Natürlich heißt es Wurst oder Würstel. Es ist aber kein echtes Würschtl von dem ich spreche, oder doch? Er benahm sich tierisch wie ein Elefant im Porzellanladen.

Der „Laden“, den ich meine, ist ein exzellent geführter Familienbetrieb. Die Produktpalette wird selbst hergestellt und veredelt. Dabei geht es um Spezialitäten. Das geschichtsträchtige Familienunternehmen reicht bis 1858 zurück. Ende der 1980er wurde es von jetziger Familie übernommen. Was kann eine „Familie“?      

Als es noch die Oma gab, sie war mit weit über achtzig an der Kasse, merkte ich, wie respektvoll hier mit allen Menschen, egal welches Alter und Herkunft umgegangen wird. Chefleute mit Empathie und Vorbildwirkung, das Personal zieht mit. Das Geschäft ist immer blitzblank und hat in einer Ecke Platz für kleine Imbisse. Dort kann, wer will, eine „echte Leberkäsesemmel“ verspeisen. Vielleicht sind es Singles, aber auch ältere Menschen, die das angebotene Mittagsmenü abholen. Man ist rechtzeitig auf die Bedürfnisse der heutigen Zeit aufgesprungen. Tradition trifft auf Innovation. Sollte einmal ein langjähriger Kunde erkrankt sein, bietet die Chefin eine Zustellung an.

Das Geschäft ist ein Juwel, man verkauft nur Produkte aus der Region. Es wird grundsätzlich höchste Qualität geboten, sowie Wildspezialitäten aus eigener Jagd.  

Und heute? Ein echtes Würschtl, nicht aus der Vitrine, sondern von draußen, kam ins Geschäft. Groß, schlank, nicht hässlich, etwa Mitte vierzig. Doch – er hatte wohl versehentlich einen Lautsprecher geschluckt? „Do draußen hob‘ i ganz groß WILD“ gelesen, „vo wo hams des? Bei wiafü Grad wird des glagert? Bei wiafü Grad des andere Fleisch?“ „Wer mocht den Soft (Fruchtsaft), der do steht? Do sollns no was draufschreiben!“

Der Juniorchef begegnete dem Lebensmittelkontrolleur souverän. Die erhaltenen Plastiksäcke füllte er mit einem Stück Rindfleisch (für meinen Begriff zu groß) und einer großen Stange Wurst. Während der Juniorchef die Stange Wurst holte, klopfte der Kontrolleur die Daten in seinen verdreckten Laptop. Auf dem Platz, wo man die Leberkäsesemmel essen kann.

Der mit fettem Daumenabdruck verschmierte Bildschirm war nicht zu übersehen. Die Tasten stark verschmutzt. „Herr Würschtl, haben SIE sich von diversen Würsten etwas in ihren „Lautsprecher“ gesteckt?“ 

Nein, das habe ich natürlich nicht gefragt. Gebildet wie ich bin, machte ich so nebenbei den Herrn Kontrolleur aufmerksam, dass sein Laptop eine dringende Reinigung nötig hätte, so schmutzig wie der aussieht! Und die Antwort? „Ja, das weiß ich.“ Doch plötzlich war der Lautsprecher weg, das weitere Gespräch wurde nun leiser geführt, bevor er das Geschäft verließ.

Große Zufriedenheit machte sich in mir breit. Es wirkte. Eine Verkäuferin kam lächelnd nahe, „das haben Sie gut gemacht!“ Ich hatte schon als Kind das Bedürfnis, Schwächeren zu helfen. Aber dass ich einmal in einer Fleischerei einem Kontrolleur „die Schneid“ abkaufen würde, war reiner Zufall.


© ERFAlina 2023-09-21

Genres
Humor& Satire
Stimmung
Herausfordernd