Ein erstes ehrliches Date

Marie-Theres Muxel

von Marie-Theres Muxel

Story

Erst nach dem zweiten oder dritten zufĂ€lligen Wiedersehen, machen wir daraus ein Date. Nur wir beide. Eine bestimmte Uhrzeit. Ein bestimmter Ort. Ein bisschen Spießigkeit inmitten unserer zwanghaften Ungebundenheit. Es ist unser erstes offizielles und unser letztes Treffen, zumindest fĂŒr ein paar Wochen. Übermorgen werde ich meine Bachelorarbeit abgeben, ins Auto steigen und fĂŒr unbestimmte Zeit Richtung SĂŒden fahren. Ich will campen gehen, in einem Zelt schlafen, frei sein. So frei wie möglich. Ganz ich selbst. Dem widme ich mich dieser Tage – dem Zu-mir-Finden und dem Zu-mir-Stehen. Zu mir möchte ich, wenn es sein muss, auch mit Rucksack und Schlafsack finden.

Mein letztes Wochenende in der Stadt ist ein fĂŒr den Wiener FrĂŒhling ungewöhnlich warmes. In einer hellen, leichten Jeansjacke steht er in sein Handy grinsend an der Haltestelle, an der wir verabredet sind. Es ist ein schönes Wiedersehen. Ein ehrliches. Vielleicht mein erstes wirklich ehrliches Date. Wir verbringen den Abend bei meinem Lieblingsfranzosen, und ich bringe all die Themen auf den Tisch, die beim ersten Treffen eigentlich darunter verborgen bleiben sollen. Wir sprechen ĂŒber Politik, Religion, Prostitution. Über verborgene Ängste und große TrĂ€ume. Als wir uns anschließend in einer Irish Bar gegenĂŒbersitzen und er fragt, was ich werden möchte, antworte ich zum ersten Mal mit der Wahrheit. „Schriftstellerin“, sage ich an jener Stelle, an der ich normalerweise von meinem Kunststudium erzĂ€hlen wĂŒrde, von der Arbeit in einem Museum oder einer Galerie, von der offiziellen Version und dem eigentlichen Plan B.

Wir fahren zu einer Party in ein Studentenheim und anschließend zu einem After-Hour-Club. Jemand zeigt auf ihn und fragt, ob er mein Freund ist, und fĂŒr einen winzigen Moment möchte ich mit „Ja“ antworten. FĂŒr einen winzigen Moment hoffe ich, dass es bleibt, dieses GefĂŒhl zwischen uns beiden, das an diesem Abend erwacht und das so schonungslos ehrlich und so ungetrĂŒbt es selbst ist, wie ich es gerne wĂ€re. Ich wische den Gedanken wieder weg und er bringt mich nach Hause. Wir verabschieden uns. Leidenschaftlich. Ungezwungen. Immer noch ehrlich.

Dann verschwindet er in einem Taxi und ich auf meine Reise nach Italien. Mit nicht mehr als einem Rucksack und der heimlichen Hoffnung, dass wir uns wiedersehen.

© Marie-Theres Muxel 2020-08-19

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