Ein fast verknackstes Wochenende

Eva-Maria Fontaine

von Eva-Maria Fontaine

Story

Das Datum steht fest, im April, kurz vor Ostern. Diesmal werde ich vom Schwiegersohn eingeladen, eher ungewöhnlich. Mein Einsatz als Babysitterin ist gefragt für das gesamte Wochenende, gemeinsam mit der Omi, während ich ganz normal mit ‚Oma‘ angeredet werde von den kids. Unterschiede müssen sein, denke ich mir und buche die Fahrt in den Norden zum günstigen Flixtrain-Preis von 15 Euro. Soweit so gut. Eigentlich hatte ich dem Schwiegersohn meine Hilfe schon öfter angeboten, besonders bei der Geburt der zweiten Tochter. Doch er hat immer dankend abgelehnt. Nun endlich werde ich von ihm höchstpersönlich eingeladen und fühle mich natürlich geehrt. Gerne möchte ich noch ein paar Tage dranhängen, wegen der weiten, 400 km. langen Anreise. Diesmal schreibe ich meiner Tochter. Sie antwortet etwas zögerlich ‚wenn es dir nicht zu langweilig ist, wir sind beide im home-office‘. Das wird schon irgendwie klappen, denke ich mir am Mittwoch Vormittag, bevor ich mit dem Auto losfahre, um noch Proviant für die lange Zugreise zu besorgen. Doch dann beim Aussteigen passiert es: ich verknackse mir den linken Fuß, kann nur noch unter starken Schmerzen auftreten. Behutsam steige ich wieder ein und fahre schnurstracks zum nächstgelegenen Krankenhaus. Weiter nach Köln schaffe ich es einfach nicht. Das Brems- und Kupplungspedal betätige ich mit zusammengebissenen Zähnen und lande humpelnd in der Frechener Notaufnahme. Die Dame am Empfang bittet mich mitleidig lächelnd, die Formulare im Wertebereich auszufüllen, doch ich ziehe es vor, alles Nötige am Platz zu erledigen. Zum Schluss reiche ich ihr stolz meine neue Krankenkassenkarte mit dem gut retuschieren, Foto, und darf gemeinsam mit ca 20 Anderen auf meine Untersuchung warten. Es dauert etwa 2 Stunden, bis ich hereingerufen werde. ‚Bitte, bitte lieber Gott, lass nichts gebrochen oder gerissen sein. Ich habe mich so auf die Enkelkinder gefreut. Und was soll ich mit all den Geschenken‘ murmle ich währenddessen leise flehend vor mich hin. Welches Argument nun den Ausschlag gab, dass mein Gebet erhört wird, keine Ahnung. Jedenfalls teilt mir der junge, freundliche Arzt nach dem Röntgen mit, dass die Bänder nur überdehnt seien. Er könne weder einen Riss und erst recht keinen Bruch erkennen. Beinahe wäre ich ihm um den Hals gefallen, erzähle ihm aber stattdessen kurz von meinem bevorstehenden Enkel-Babysitter-Wochenende in der Nähe von Hamburg. Nicht auszudenken, wenn ich dort schlapp machen würde. Der gute Doc hat anscheinend ein großes Herz für liebe Omas und schenkt mir zum Abschied eine leuchtend grüne Orthese für den verknacksten Fuß. Stolz trage ich meinen immer noch schmerzenden aber jetzt optimal versorgten und geschienten Fuß zum Auto. Zu Hause packe ich die Geschenke und nur das Nötigste für mich ein. In der Nacht schlafe ich erstaunlich gut, und auch der Schmerz im linken Fuß hat am Morgen nachgelassen. Die neue Orthese in Neongrün, die ich jetzt unter der Jeans trage, gibt mir wunderbaren Halt und ich trage mein Gepäck überglücklich zur Haltestelle. Der Zug hat etwas Verspätung, ich schreibe meiner Tochter die neue Ankunftszeit per WhatsApp, dann starte ich voll guter Erwartung in ein neues Oma-Enkel-Abenteuer. Omasein ist nämlich alles andere als langweilig, es steckt voller Überraschungen!

© Eva-Maria Fontaine 2025-04-20

Genres
Romane & Erzählungen
Stimmung
Herausfordernd